Großbritannien: Das nächste Duell Alt gegen Jung
Am letzten Tag vor der britischen Parlamentswahl ist Premierministerin Theresa May wegen neuer Äußerungen zur Terrorabwehr stark in Bedrängnis geraten. Sie hatte am Vortag angekündigt, notfalls Menschenrechte einzuschränken, um Terrorverdächtige länger festzuhalten oder schneller abzuschieben.
"Wir werden den Terrorismus nicht besiegen, indem wir unsere Grundrechte und unsere Demokratie zerreißen", sagte Labour-Chef Jeremy Corbyn am Mittwoch dem Sender BBC. Nötig seien mehr Polizisten.
Mit den Änderungen der Gesetze werde sie bei Bedarf umgehend beginnen, sagte May bei einer Wahlkampfveranstaltung. "Wenn ich am Donnerstag zur Premierministerin gewählt werde, beginnt diese Arbeit am Freitag." Sie sei auch bereit, den Zeitraum, in dem Terrorverdächtige ohne Haftbefehl festgehalten werden können, von 14 auf 28 Tage auszudehnen, sagte May der Zeitung Sun. Großbritannien ist binnen drei Monaten von drei Terroranschlägen erschüttert worden, zwei in London und einem in Manchester.
Konservative in Umfragen deutlich vorn
Letzte Umfragen vor der Wahl sehen die Konservativen inzwischen zwar knapper als zuletzt - aber doch eindeutig - vorn. Demnach kommen die Tories unter Theresa May auf bis zu 46 Prozent, während die sozialdemokratische Labour-Partei mit 34 Prozent rechnen kann. Als Theresa May Mitte April die vorgezogene Wahl angekündigt hatte, lagen ihre Konservativen zeitweise über 20 Prozentpunkte vor Labour.
Von der vorzeitigen Wahl fast ein Jahr nach dem Brexit-Referendum hatte sich May eine größere Mehrheit für ihre Tories im Unterhaus und mehr Rückendeckung für die Brexit-Verhandlungen erhofft. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwartet von der Wahl keine grundlegende Neuausrichtung für die Brexit-Gespräche: "Die Entscheidung zum Austritt aus der Europäischen Union ist getroffen." Die Briten können an diesem Donnerstag von 8 bis 23 Uhr MESZ ihre Stimme abgeben.
Nach den Terroranschlägen fokussierte sich der Wahlkampf zunehmend auf die innere Sicherheit. May geriet in die Kritik, da sie in ihrer Zeit als Innenministerin den Polizeiapparat stark gestutzt hatte. Sie sei für die Streichung von etwa 20.000 Stellen mitverantwortlich, sagte Corbyn. Er selbst versprach 10.000 Polizisten mehr.
May: Steif und ungeschickt
May musste auch Kritik einstecken, weil sie oft steif und ungeschickt in der Öffentlichkeit auftrat. Wegen der roboterhaften Wiederholung von Phrasen wie "stark und stabil" oder "Brexit bleibt Brexit" hat sie den Spitznamen "Maybot" - ein Wortspiel aus May und Roboter - verpasst bekommen. Sie boykottierte gemeinsame Fernsehduelle mit Corbyn. Pensionisten verärgerte sie mit geplanten Einschnitten bei einer Heizzulage und bei Pflegekosten. Dennoch: Ältere Wähler sind überwiegend für die Konservativen - und traditionell fleißige Wahlgänger.
Der Altlinke Corbyn spricht hingegen vor allem junge Wähler an, die jedoch ebenso traditionell eher Wackelkandidaten an der Wahlurne sind. Eine Dynamik, die sich bereits beim Brexit-Votum gezeigt hat.
Corbyn: Führungsschwach und verworren
Corbyn will die Kluft zwischen Arm und Reich verringern. Ihm wird aber vorgeworfen, führungsschwach zu sein und sich ungenügend gegen den Brexit zur Wehr gesetzt zu haben. Rechte Medien bezeichneten ihn am Mittwoch als Gefahr für die Demokratie. Die Daily Mail nannte ihn zum Beispiel einen "Verteidiger des Terrors", der "Massenmörder im Nahen Osten, Irland und anderswo in der Welt" umworben habe.
Corbyn tauschte noch am Mittwoch seine innenpolitische Sprecherin Diane Abbott aus. Sie muss sich nach seinen Angaben aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen. Als Ersatz nannte der Labour-Chef die polizeipolitische Sprecherin Lyn Brown. Abbott hatte zuvor in Interviews verworrene Aussagen zum Labour-Programm gemacht.
Der europafeindlichen Ukip-Partei droht der Kollaps bei der Wahl. Im Parlament war sie zuletzt gar nicht mehr vertreten. Im März war der Inhaber ihres einzigen Abgeordnetensitzes aus der Partei ausgetreten. "Die Konservativen werden vermutlich viele Ukip-Wähler abziehen", sagte John Curtice von der Uni Strathclyde in Glasgow.
Das Unterhaus hat so viele Sitze wie Großbritannien Wahlkreise: 650. Vor seiner Auflösung am 3. Mai schickten die Konservativen die meisten gewählten Volksvertreter ins Parlament: 330 Sitze - die absolute Mehrheit - standen den Tories zu. Labour holte bei der letzten Wahl im Jahr 2015 insgesamt 232 Sitze. Die Schottische Nationalpartei (SNP) war mit 56 Sitzen die drittstärkste Kraft.
Kommentare