So hat er sich sein Land wohl nicht vorgestellt. In Israel sollten Juden aus aller Welt in Frieden leben können. Und doch ist mit der Gründung dieses Staates der Traum des Theodor Herzl wahr geworden. Ihm selbst war es nicht vergönnt, die Erfüllung seines Traums erleben zu dürfen; der unermüdliche Kämpfer für einen Judenstaat wurde nur 44 Jahre alt.
Geboren 1860 als Sohn eines Bankkaufmannes in Budapest, der Hauptstadt des damals österreichischen Kronlandes Ungarn, wächst Theodor Herzl in einem assimilierten jüdischen Haushalt auf. Er absolviert das evangelische Gymnasium und übersiedelt, als er 18 ist, mit seinen Eltern nach Wien. Als Jusstudent tritt er einer deutschnationalen Verbindung bei, der er den Rücken kehrt, als er dort antisemitisches Gedankengut ortet.
Nach der Promotion zum Dr. jur. ist Herzl als freier Schriftsteller tätig, dessen Stücke an diversen Bühnen, auch am Burgtheater, aufgeführt werden. Bald auch Feuilletonist mehrerer Zeitungen, schickt ihn Wiens Neue Freie Presse nach Frankreich, wo er als Korrespondent ein für sein Leben und die Entstehung des Staates Israel prägendes Erlebnis hat. Er berichtet aus Paris über den Aufsehen erregenden Gerichtsfall des französisch-jüdischen Generalstabshauptmannes Alfred Dreyfus, der der Spionage für Deutschland verdächtigt und zu lebenslanger Haft auf der Teufelsinsel Cayenne verurteilt wird. Zu Unrecht, wie sich herausstellen sollte – Dreyfus wird voll rehabilitiert.
Herzl, der sich schon früh mit der jahrhundertelangen Verfolgung der Juden befasst hat, spürt während des Dreyfus-Prozesses einen latenten Antisemitismus, der ihm unerträglich ist. Dachte er vorerst, das Problem durch einen massenhaften Übertritt der Juden zum Christentum lösen zu können, so gelangt er später zur Überzeugung, dass sie nur in einem für sie geschaffenen Land Schutz finden können.
Errichtung des Staates
Schließlich gilt der 5. Jänner 1895, der Tag der Degradierung des Offiziers Dreyfus, als Geburtsstunde des modernen Zionismus, dessen Ziel die Errichtung des Staates Israel ist. „Wenn ihr wollt, ist es kein Märchen“, ruft Herzl in seinem Buch „Der Judenstaat“ auf. Und er hat genaue Vorstellungen, wie die Menschen in diesem Staat leben sollen: „Die Arbeiter werden in schmucken Häuschen mit Gärten wohnen. Der Normalarbeitstag ist der Siebenstundentag ... Es muss wirklich das Gelobte Land werden ... Wir wollen den Juden eine Heimat geben.“
Theodor Herzl hat 1889 in Reichenau an der Rax Julie Naschauer, die Tochter eines jüdischen Geschäftsmannes, geheiratet, die ihm drei Kinder schenkt. Doch die Ehe ist nicht glücklich, Herzl lebt für seine Arbeit. Derart intensiv, dass er damit seine zerbrechliche Gesundheit aufs Spiel setzt.
So reist er, um seinen Traum vom Judenstaat wahr zu machen, zu den Mächtigen seiner Zeit und bittet um deren Hilfe. Papst Pius X. empfängt ihn ebenso wie der deutsche Kaiser Wilhelm II. und Italiens König Viktor Emanuel III. Es gibt schöne Worte, aber wenig Unterstützung, auch die jüdische Hochfinanz will von seinen Plänen nichts wissen.
Friedliches Auskommen
Erste Wahl für den Standort des künftigen Landes ist Palästina, wohin Moses sein Volk geführt und wo König David den ersten Judenstaat gegründet hat. Theodor Herzl lehnt jede Form von Gewalt ab und ist überzeugt davon, dass Israel friedlich mit seinen Nachbarn auskommen wird. Schon deshalb, weil sich der wirtschaftliche Aufschwung der Region auch für die nichtjüdischen Palästinenser positiv auswirken würde.
Herzl schreibt Feuilletons, Romane, Theaterstücke und reist um die Welt, auch nach Palästina, um in Vorträgen für seine Idee einer jüdischen Nation zu werben. Doch der rastlose Einsatz bleibt nicht ohne Folgen. Nach mehreren Herzattacken wird er von seinen Ärzten immer wieder zur Schonung ermahnt.
Dem Tod ins Auge
Er aber kämpft weiter, empfängt Abordnungen, korrespondiert mit Konstantinopel, Paris, Berlin, London... „Ich schaue dem Tod ruhig ins Auge“, sagt er im vollen Bewusstsein des gesundheitlichen Risikos, „umso mehr, als ich die letzten Jahre meines Lebens nicht nutzlos verbracht habe.“
Der Kurort Reichenau an der Rax wird ihm zum Schicksal. Hier ist er mit 29 Jahren die Ehe eingegangen, in der er nicht glücklich wurde, und hier stirbt er am 3. Juli 1904 im Alter von 44 Jahren. Seine Frau hat ihn von Wien aus ins Reichenauer Kurhotel Edlach begleitet, in dem er nach knapp 14-tägigem Aufenthalt seiner Herzschwäche erliegt.
Die Zahl seiner Anhänger ist mittlerweile so groß, dass Tausende Menschen – Juden und Nichtjuden aus ganz Europa – Herzls Sarg am Döblinger Friedhof in Wien folgen.
Nach dem Holocaust ist ein Land, das den Juden Sicherheit gibt, dringlicher denn je. Herzls Traum wird wahr, doch der erhoffte Friede bleibt aus, erklärt doch die Arabische Liga 1948 Israel zum Zeitpunkt der Staatsgründung den Krieg. Und seither kommt der Nahe Osten nicht zur Ruhe.
Herzls sterbliche Überreste wurden mittlerweile in „sein Land“ überführt, er hat an dem nach ihm benannten Herzlberg in Jerusalem die letzte Ruhe gefunden.
Die Familiengeschichte
Die Geschichte seiner Familie ist eine einzige Tragödie. Drei Jahre nach Herzls frühem Tod stirbt seine Frau Julie im Alter von 39 Jahren, Tochter Pauline wird 40, Herzls Sohn Hans 39, Tochter Margarete wird 50-jährig im KZ Theresienstadt ermordet. Und als sich Theodor Herzls einziger Enkel Stefan mit 38 Jahren in den USA das Leben nimmt, ist das tragische Schicksal der Familie besiegelt.
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