Anfang August wird in Weißrussland gewählt, und eigentlich sollte Europas letzter Diktator wieder gewinnen. Doch diesmal ist in dem 10-Millionen-Einwohner Staat, der dem Westen nach wie vor als Vasallenstaat Russlands gilt, etwas anders: Die Corona-Pandemie hat Belarus hart erwischt, knapp 60.000 Fälle zählt man – und das droht dem Autokraten nach 26 Jahren an der Macht auf den Kopf zu fallen. Nur drei bis sieben Prozent wollen, dass er bleibt, so unabhängige Umfragen – bedenklich wenig für einen Diktator mit kompletter Macht über alle Medien.
„Die ungenügende Antwort der Behörden auf Covid-19 und der wirtschaftliche Abstieg haben den Appetit auf Protest geweckt“, analysiert Yuri Tsarik, Politologe am Wilson Center in Washington. Tatsächlich hat Lukaschenko seltsamer reagiert als manch anderer Autokrat: Er nannte das Virus „Schwindel“, attestierte Bürgern eine „Psychose“, warf sogar Todkranken vor, sie hätten ihren Zustand selbst verschuldet. Das kam bei den Älteren schlecht an – und die hatten Lukaschenko bisher noch am ehesten unterstützt.
Viele der „97 Prozent“ gehen darum seit Wochen auf die Straße, und zwar in Form „gehorsamen“ Protests. In Menschenketten, den Corona-Abstand einhaltend und mit Masken demonstrierten sie für die Freilassung der zwei Gegenkandidaten, die das Regime zur Wahl zulassen musste: Viktor Babariko, Chef der Gazprom-Tochter Belgazprombank, erhielt mit 425.000 Unterstützungserklärungen deutlich mehr, als zum Antritt erforderlich sind. Er wurde ebenso verhaftet wie der zweite Kandidat, der beliebte Video-Blogger Sergei Tichanowskij.
Gegenkandidaten zu verhaften ist die übliche Reaktion des Staatsapparats – neu ist allerdings, dass Lukaschenko beiden eine Nähe zu Russland unterstellt. Bislang diskreditierte er seine Opponenten meist, indem er ihnen Kontakte in den Westen vorwarf.
Für Experten zeigt das die Entfremdung zwischen Minsk und Moskau – was man auch daran merkt, dass Russland die Ölpreise hochschraubt, die essenziell für Weißrussland sind. Für Lukaschenko könnte es darum eng werden, sagt Tsarik: „Die aktuellen Proteste sind die schlimmste Krise seiner Karriere.“
Überdauern könne er sie nur, wenn sich in Russland Protest gegen Putin regt – und das scheint durch die Corona-Krise nicht ausgeschlossen.
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