Erneut schwere Kämpfe, Ukraine verlangt "vier Schritte" vom Westen
Tag 28 im Ukraine-Krieg: Angesichts der anhaltenden Angriffe auf ukrainische Städte fordert die Regierung in Kiew weitere Waffenlieferungen des Westens. Eine moderne Flugabwehr sowie Marschflugkörper und Granaten seien notwendig, twitterte Präsidentenberater Mychajlo Podoljak am Mittwoch. Dies gelte vor allem für den Fall, dass es weiter keine Flugverbotszone über der Ukraine gebe.
„Ihr wollt nicht mehr von den toten Augen unserer ermordeten Kinder träumen und die Hitze von Mariupol spüren?“, schrieb Podoljak an die "lieben Partner" der Ukraine gerichtet. Dann seien „nur vier Schritte“ nötig, um dies zu ändern. Neben Flugabwehr und Marschflugkörpern nannte er ein hartes Embargo für russisches Öl sowie die Schließung von Häfen für russische Schiffe.
Ukrainische Einheiten haben nach eigenen Angaben bei Kämpfen bei Charkiw im Osten des Landes einen Angriff russischer Truppen abgewehrt. Zum rund 100 Kilometer von Charkiw entfernten Isjum gibt es indes keine Verbindung mehr. Die Lage in der belagerten Stadt sei schwierig, hieß es.
Humanitäre Korridore
Für die Region Luhansk ist nach Angaben des zuständigen Gouverneurs eine Feuerpause vereinbart worden. Ziel sei es, durch die Kämpfe in der ostukrainischen Region eingeschlossene Zivilisten in Sicherheit zu bringen.
Für die Rettung der Zivilbevölkerung aus umkämpften Städten und Dörfern waren am Mittwoch nach Angaben aus Kiew insgesamt neun Fluchtkorridore vorgesehen. So sollte u. a. die Evakuierung der belagerten Hafenstadt Mariupol fortgesetzt werden, wie Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk in einer Videobotschaft sagte.
Die ukrainischen Streitkräfte halten nach Angaben ihres Generalstabs die Stellung trotz fortdauernder russischer Luftangriffe. Der Vormarsch des Gegners werde an mehreren Fronten gestoppt, zum Beispiel bei Slowjansk im Gebiet Donezk im Südosten, teilte der Generalstab in Kiew am Mittwochmorgen mit. In Irpin nahe Kiew nahm die ukrainische Polizei nach eigenen Angaben ihre Arbeit wieder auf. „Die Gegend wird von Saboteuren gesäubert“, schrieb Polizeichef Ihor Klymenko am Mittwoch auf Facebook. „Aber die Hauptaufgabe ist, Zivilisten zu helfen und zu evakuieren, die immer noch in Irpin sind.“
Irpin ist seit Wochen Ziel russischer Angriffe. Einheiten Russlands hatten nach ukrainischen Angaben bis zu 30 Prozent der Stadt besetzt, die etwa 20 Kilometer nordwestlich vom Kiewer Stadtzentrum entfernt liegt. Die Mitteilung zur Polizeiarbeit soll nach Ansicht von Beobachtern nun zeigen, dass die ukrainischen Kräfte wieder weitgehend die Kontrolle zurückerlangt haben.
Unabhängige Einschätzungen der Situation vor Ort gibt es nicht. Die Kämpfe gehen aber weiter. „Die russischen Besatzer beschießen Irpin weiterhin gnadenlos“, schrieb Klymenko.
Vorwürfe gegen USA
Das russische Präsidialamt warnte mit Blick auf das NATO-Gipfeltreffen am Donnerstag vor einer Entsendung von Friedenstruppen in die Ukraine. "Jede mögliche Konfrontation zwischen unseren Truppen und NATO-Kräften könnte klare Konsequenzen haben, die schwer zu korrigieren sind", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow vor Journalisten.
Nach seiner Einschätzung verläuft der russische Militäreinsatz in der Ukraine trotz aller Berichte über Rückschläge und taktische Fehler "streng nach Plan".
Eine Antwort, warum der ursprünglich als Blitzkrieg angelegte Militäreinsatz mittlerweile vier Wochen dauert, hatte am Mittwoch der russische Außenminister Sergej Lawrow. Er warf den USA vor, die Kampfhandlungen in der Ukraine aus eigenen Interessen in die Länge zu ziehen. „Sie spekulieren darauf, weitere Waffen in die Ukraine zu pumpen“, sagte Lawrow bei einer Rede vor Moskauer Studenten.
Aus diesem Grund liefen auch die Gespräche zwischen einer russischen und einer ukrainischen Delegation schleppend, so Lawrow: „Man wird den Eindruck kaum los, dass sie von ihren amerikanischen Kollegen an der Hand gehalten werden, die (...) einfach davon ausgehen, dass es für sie unrentabel ist, wenn dieser Prozess schnell abgeschlossen wird.“
Der ukrainische Präsident Wolodymir Selenkskyj hatte die Gespräche mit Moskau zur Beendigung des Kriegs zuvor als schwierig bezeichnet. Aber "Schritt für Schritt kommen wir voran".
Russische Kampfkraft sinkt
Laut einem Vertreter des US-Verteidigungsministeriums ist die Kampfkraft der russischen Truppen unter 90 Prozent ihren Potenzials zu Beginn der Invasion gesunken. Belege nannte er nicht. Russland hat zuletzt offiziell Angaben über Verluste am 2. März gemacht. Damals waren demnach 498 Soldaten gefallen und 1.597 verwundet worden.
Der Berater der US-Regierung für nationale Sicherheit, Jake Sullivan, schätzt, dass Zahl der getöteten russischen Soldaten mittlerweile in die Tausende geht.
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