Harter Brexit, weicher oder wie jetzt?
Nach dem Motto "lass uns Freunde bleiben" , während man in Wahrheit dem enttäuschten, langjährigen Partner den Rücken kehrt, reiste gestern der britische Brexit-Minister David Davis zum Auftakt der Scheidungsgespräche nach Brüssel. Genau ein Jahr ist vergangen, seit die Briten mehrheitlich für den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt haben. Vor drei Monaten reichte Premierministerin Theresa May den offiziellen Antrag auf Trennung ein.
Seither stellten sich die 27 anderen EU-Staaten überraschend geschlossen hinter eine gemeinsame Verhandlungslinie – während innerhalb der britischen Regierung Chaos herrscht. Eine klärende Botschaft brachte auch Davis nicht zu seinem ersten offiziellen Zusammentreffen mit EU-Chefverhandler Michel Barnier mit. "Meine Regierung strebt eine neue, tiefe und besondere Partnerschaft mit der EU an", versprach der Brexit-Minister vage.
Brexit-Hardliner
Noch immer sind die europäischen Unterhändler ratlos. In welche Richtung verhandeln, wenn London keine Strategie hat? Die im Parlament einflussreichen Brexit-Hardliner bei den der konservativen Tories sitzen Premierministerin May im Nacken. Unverhohlen drohen sie mit "offenem Krieg", sollte May vom bisher angekündigten Kurs eines harten Brexits abweichen. Ihre Forderung: Austritt des Vereinigten Königreiches aus der Zollunion, aus dem Binnenmarkt, Ende der EU-Gerichtsbarkeit auf britischem Boden und Zurückschrauben der Einwanderung unter 100.000 Personen pro Jahr.
Immer besorgter hält dem die britische Wirtschaft entgegen: Nur mit einem weichen Brexit ließe sich eine Katastrophe vermeiden. Und auch der britsche Schatzkanzler Philip Hammond bremste: Man müsse pragmatisch verhandeln.
Rechte der Bürger
Das erste Thema der Marathon-Verhandlungen ist das Einfachste: Die EU will, dass ihre drei Millionen Bürger, die auf der Insel leben, alle ihre Rechte behalten, von der Kinderbeihilfe bis zur Pension. Das selbe will Großbritannien für seine Bürger in der EU (etwa eine Million) – insofern ziehen beide Partner in eine Richtung. Schwierig wird es schon bei der Frage, wer im Streitfall entscheidet: Der Europäische Gerichtshof, worauf die EU beharrt – oder das britische Gerichtswesen, worauf London pocht.
Abgegangen scheint London vorerst nur von seiner Forderung zu sein, gleichzeitig mit den Austrittsgesprächen auch schon Verhandlungen über die künftige Zusammenarbeit aufzunehmen. Das lehnt die EU ab, Chefverhandler Barnier darf nur über die Scheidung reden. Die angepeilte Freundschaft muss warten.
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