Anti-Hamas-Demo in Gaza: Der erste große Widerstand

Proteste in Gaza
Hunderte Palästinenser gingen in Gaza für ein Ende der Kämpfe auf die Straßen. Der Protest richtete sich auch konkret gegen die Hamas – das gab es seit Kriegsbeginn 2023 in dem Ausmaß bislang nicht.

„Raus, raus, raus, Hamas raus!“, riefen hunderte Palästinenser, während sie zwischen den Ruinen ihrer zerbombten Häuser entlang marschierten.

Die Proteste am Dienstag waren die größten gegen die islamistische Terrororganisation im Gazastreifen seit Kriegsbeginn 2023. Videos und Fotos aus Beit Lahia im Norden des Gebiets, die sich in sozialen Netzwerken rasch verbreiteten, zeigten vor allem wütende Männer, einige mit weißen Friedensfahnen. „Beendet den Krieg“, „Wir wollen in Frieden leben“ und „Wir weigern uns, zu sterben“ stand auf den Plakaten, die sie hochhielten. 

Die israelische Armee hatte zuvor Evakuierungsbefehle für große Teile der Stadt gegeben. Im nahe gelegenen Jabalia und in Khan Younis im Süden des Küstengebiets spielten sich ähnliche Szenen ab. Sie sind wohl aus der Not geboren.

Anti-Hamas-Demo in Gaza: Der erste große Widerstand

Palästinenser trauten sich, gegen die Hamas zu demonstrieren.

Hunderte Tote seit Ende der Waffenruhe

Nach 17 Monaten Krieg herrschen in Gaza katastrophale Zustände. Nachdem die Hamas und Israel sich nicht auf eine Verlängerung der Waffenruhe einigen konnten, lief diese aus. Seitdem gehen die Kämpfe mit voller Wucht weiter – mit erneut zahlreichen, hunderten, Toten.

Dazu kommt, dass seit März wieder alle Grenzübergänge zum Gazastreifen abgeriegelt sind und keine Hilfslieferungen durchkommen. Es fehlt an Lebensmitteln, Wasser, Medikamenten, Unterkünften und Treibstoff. Israel argumentiert das mit dem Vorwurf, dass die Hamas einen Großteil der Unterstützungspakete stehle. Die Terrororganisation streitet das ab.  

Obwohl die Lage schon länger prekär ist, sind Proteste wie jüngst äußerst selten. Nicht, weil die rund zwei Millionen Palästinenser bislang gesammelt hinter der Hamas standen. Bereits vor, aber besonders seit Kriegsbeginn wird auch innerhalb Gazas durchaus Kritik an ihr und dem Angriff auf Israel geäußert. Viele haben aber Angst vor den heftigen Vergeltungsmaßnahmen, für die die Hamas bekannt ist.

Gewehre und Schlagstöcke

Auch am Dienstag sollen maskierte Hamas-Kämpfer die Demonstranten mit Gewalt auseinandergetrieben haben, berichten mehrere Medien. Einige von ihnen hätten Gewehre dabeigehabt, andere Schlagstöcke, heißt es etwa vom Gaza-Korrespondenten der BBC. Die Gruppierung behauptete zudem, die Märsche seien von ihren politischen Feinden, der Palästinenserorganisation Fatah, die das Westjordanland kontrolliert, orchestriert worden.

Die Terrormiliz Hamas wird vom Iran unterstützt und  will einen „Islamischen Staat Palästina“ sowie die Zerstörung Israels. Sie beherrscht den Gazastreifen seit 2007, Kritik wird brutal unterdrückt. Am 7. Oktober 2023 überfiel die Hamas Israel, verschleppte 250 Geiseln. Etwa 1.200 Menschen starben damals.

Im Gazastreifen sind seit Kriegsbeginn laut Hamas insgesamt über 50.000 Palästinenser gestorben. Die Zahl ist nicht unabhängig überprüfbar.

Die Hamas hat nach wie vor treue Anhänger hinter sich. Wie viele das sind und ob die Unterstützung für sie geschrumpft ist, ist sehr schwer einzuschätzen. Umfragen des Palestinian Center for Policy and Survey Research zufolge ist die Unterstützung für die Hamas von 42 Prozent kurz nach dem 7. Oktober 2023 auf 21 Prozent im Jänner 2025 zurückgegangen.

„Die Kriegsaktivitäten der Hamas werden zunehmend kritisiert, immer weniger Menschen im Gazastreifen sehen sie als Sieger“, ordnete Nils Mallock, Wissenschaftler am King’s College London, das vor einigen Wochen im "Guardian" ein. Er forscht selbst zu den Einstellungen der Palästinenser, führte Online-Interviews mit Bewohnern. Zusammen mit der Tatsache, dass viele von ihnen in erster Linie versöhnlichere Visionen bevorzugen würden, sei mehr Kritik an der Hamas eine gute Nachricht für die Friedensbemühungen, schrieb er zudem.

Israels Premier Benjamin Netanjahu sah in den Protesten einen Beweis, dass seine Politik funktioniert und betonte: „Wir sind entschlossen, alle unsere Kriegsziele zu erreichen.“ 

Kommentare