Hahn: Klare Ansagen an Russland und die Türkei

Johannes Hahn am Dienstag vor dem EU-Parlament.
Beim Hearing im EU-Parlament verspricht Österreichs Kommissar, es werde bis 2020 keine EU-Erweiterung geben. Hahn will aber den Westbalkan und die Ukraine näher an die Union heranführen.

Der freundliche Empfang für Johannes Hahn beschränkt sich nicht auf das routinemäßige Händeschütteln und gemeinschaftliche In-die-Kamera-Lachen, mit dem vor allem Kommissar-Hearings beginnen. Nachdem Hahn eine Viertelstunde lang dargelegt hat, wie er seinen neuen Job als EU-Kommissar für Nachbarschaftspolitik und Erweiterung anlegen will, applaudieren die Abgeordneten – keine Selbstverständlichkeit, Hahn hat offenbar richtige Töne getroffen.

Hahn wirkt bei seinem Auftritt vor dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten entspannt, gut vorbereitet – und inhaltlich deutlich sattelfester als mancher seiner Kollegen, die sich dieser Tage der Befragung im EU-Parlament stellen. In der dreistündigen Befragung hat Hahn auf fast alle Fragen eine passende Antwort parat, nur einmal, bei einer Detailfrage zu Zypern, weicht er aus und gibt zu: "Ich bin neu im diplomatischen Geschäft und will hier jetzt kein Porzellan zerschlagen."

Keine Erweiterung

Bei den großen Themen der EU-Außenpolitik beschreibt Hahn, der künftig eng abgestimmt mit der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini arbeiten wird, klare Linien und Prioritäten: "Es wird in den nächsten fünf Jahren keine Erweiterung geben. Realistischerweise wird keiner unserer Partner in dieser Periode so weit sein", sagt Hahn. Keine Erweiterung sei aber nicht mit Stillstand gleichzusetzen, "im Gegenteil: Mein Job wird es sein, den Ländern, die der EU beitreten wollen, bei ihren Vorbereitungen zu helfen." Parallel zu den Beitrittsverhandlungen will Hahn innerhalb der Union für erweiterungsfreundliche(re) Stimmung sorgen: "Wir müssen die Menschen davon überzeugen, dass eine weitere Erweiterung für sie Vorteile bringt – für das Wachstum, für die Arbeitsplätze."

Balkan heranführen

Die beitrittswilligen Staaten am Westbalkan will Hahn bald nach seiner offiziellen Bestellung (planmäßig wird die Kommission Ende Oktober vom EU-Parlament gewählt, Anm.) bereisen – und Schritt für Schritt näher an die EU führen. In den Gesprächen mit Mazedonien, Serbien und Bosnien würde es oft nur in kleinen Schritten vorangehen – "aber wir haben gelernt, dass ein kleiner Schritt für ein Land ein großer Schritt für die Menschheit sein kann".

Ukraine unterstützen

Auch die Ukraine will Hahn stärker an die EU binden – ohne damit einen Beitritt in Aussicht zu stellen. "Die Mehrheit der Menschen in der Ukraine will näher an die EU rücken – darauf sollten wir uns vorbereiten, das sollten wir unterstützen. Nicht nur mit Geld, sondern auch mit Unterstützung beim Aufbau der Zivilgesellschaft." Eine deutliche Botschaft richtete Hahn in diesem Zusammenhang an Moskau: "Russland sollte nicht unterschätzen, wie entschlossen die EU ist, an ihren Prinzipien und Grundwerten festzuhalten", sagte Hahn. Ohne Souveränität für die Ukraine werde es "kein Nachgeben gegenüber Russland geben". Gleichzeitig müsse der Kreml "verstehen, dass unsere Nachbarschaftspolitik nicht darauf ausgerichtet ist, Russland zu schaden".

Kritik an der Türkei

Klare Worte fand Hahn auch zu den Beitrittsgesprächen mit der Türkei, die "ein wichtiger Partner" sei. Die Verhandlungen könnten nur Fahrt aufnehmen, "wenn sich die Verantwortlichen nicht nur bewegen, sondern auch beweisen – etwa, dass sie Minderheitenrechte ernst nehmen". Dass Menschen in der Türkei wegen ihrer Meinung im Gefängnis säßen, sei "inakzeptabel – das werde ich auf jeden Fall ansprechen".

Nach kurzer Beratung sollen sich die Koordinatoren das Ausschusses mit positiven Voten aller sieben Parteien geeinigt, dass Hahn für seine neue Aufgabe geeignet sei, hieß es in Parlamentskreisen.

Seit Jean-Claude Juncker vor drei Wochen „seine“ EU-Kommission präsentierte, hieß es für die 27 Kommissare büffeln. Vor allem die Neuen und jene, die ihr Aufgabengebiet wechseln, hatten einiges zu tun. Denn die Hearings im EU-Parlament, die diese und nächste Woche stattfinden, sind keine Formsache: „Erfahrungsgemäß gehen nie alle Kandidaten durch“, sagt Parlamentspräsident Martin Schulz.

Die Hearings können zur echten Bewährungsprobe werden: Drei Stunden lang, ohne Pause, wird jeder Kandidat befragt, 45 Fragen gibt es in Summe von den Abgeordneten – plus Nachfragen. Oft ist es eine ungleiche Auseinandersetzung in einem breiten Themenfeld: In den Parlamentsausschüssen sitzen viele Abgeordnete, die sich seit Jahren, manchmal Jahrzehnten, mit den Themen befassen – während die meisten Kommissare nur einen Crash-Kurs erhalten.

„Es gibt im Grunde nur zwei Dinge, die wir tun können“, sagt der Mitarbeiter eines Kommissars: „Erstens die wichtigsten Fragen, Zahlen und Positionen immer wieder durchzugehen. Und zweitens darauf zu bauen, dass hier ein erfahrener Politiker sitzt, der im Notfall auch improvisieren kann.“

Team-Building

Die Vorbereitung auf die Hearings begann unmittelbar, nachdem die Portfolios verteilt waren: Juncker fasste sein Team sofort zu einer zweitägigen Klausur in einem Schloss nahe Brüssel zusammen.

Seither haben die designierten Kommissare im Charlemagne-Gebäude im Herzen des Brüsseler EU-Viertels Quartier bezogen – direkt gegenüber vom Hauptquartier der Kommission, ihrem künftigen Arbeitsplatz. Im neunten Stock lassen sie sich von den Experten der Kommission mit dem wichtigsten Wissen über ihren Aufgabenbereich füttern – oft auch am Wochenende, teils bis in die Nacht, heißt es.

Dann werden mit den engsten Mitarbeitern die heikelsten Fragen, die bei den Hearings zu erwarten sind, durchgespielt. Dabei geht es nicht nur um die Antworten. Auch diese in der knapp bemessenen Antwortzeit zu geben, will gelernt sein.

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