Gut gelandet in Europa
Mit der Bestellung der neuen Kommission rückt auch das EU-Parlament in den Fokus: Heute finden die letzten zwei Anhörungen der neuen Kommissare statt, am Mittwoch soll das Team von Jean-Claude Juncker gewählt werden. Vor der wichtigen Sitzungswoche in Straßburg hat der KURIER bei fünf im Mai neu gewählten österreichischen Abgeordneten nachgefragt, wie man sich im bürokratischen Brüssel unter 750 Kollegen zurechtfindet.
"Ganz am Anfang", sagt Claudia Schmidt, "war ich noch ein bissl verloren – aber mittlerweile kenne ich mich ganz gut aus." Schmidt war vor ihrem Wechsel in der Salzburger Kommunalpolitik tätig; in Brüssel seien die Themen komplexer, meint die ÖVP-Mandatarin: "Es ist eine größere Dimension, aber Menschen sind ja doch überall gleich." Eine Herausforderung sei die sprachliche Vielfalt. Schmidt hat einen Intensiv-Kurs Französisch belegt – mit Nebenwirkungen: "Neulich bin ich in Salzburg in ein Geschäft gegangen und habe mit ,Bonjour‘ gegrüßt."
Ein Französisch-Kurs wäre "dringend gefragt", meint auch Eugen Freund, allein: "Ich habe keine Ahnung, wann sich das ausgeht." Denn das sei die große Überraschung der ersten Monate: "Ich hätte mir nicht vorgestellt, dass es so arbeitsintensiv ist. Der Tag beginnt mit einem Arbeitsfrühstück, dann eine Ausschuss- oder Fraktionssitzung nach der anderen." Zwischen den Terminen seien schon mehrere Hundert Besucher aus Österreich zu Gast gewesen. Es sei auch, sagt Freund, der kürzlich der SPÖ beitrat, "ein zweiter Bildungsweg für mich – man lernt jeden Tag etwas dazu".
FPÖ-Mandatarin Barbara Kappel bricht nach den ersten Monaten eine Lanze für das EU-Parlament, in das sie aus dem Wiener Landtag wechselte: Sie sei "sehr fasziniert: Große Themen, interessante Persönlichkeiten, inhaltliche Herausforderung – wer behauptet, dass man Leute nach Brüssel abschiebt, liegt falsch." Zu tun hat sie genug: Kappel sitzt im Wirtschafts- wie im Industrie-Ausschuss – und hörte allein dort vier neue Kommissare.
Für Monika Vana ging mit dem Sprung nach Brüssel "ein Lebenstraum in Erfüllung". Das Ankommen hat ihr Parteifreundin Eva Lichtenberger erleichtert: Vana übernahm ihre Brüsseler Wohnung. Was sie nach zehn Jahren in der Wiener Stadtpolitik positiv überrascht hat: "Dass man als Einzelne etwas bewegen kann. Im EU-Parlament wird über die Parteigrenzen hinweg sachpolitisch verhandelt. Auf kommunaler Ebene oder im Nationalrat ist alles sehr parteipolitisch fixiert."
Gleich zwei Mal in kurzer Zeit neu eingewöhnen musste sich Angelika Mlinar: 2013 mit den NEOS in den Nationalrat gewählt, wechselte sie im Juni nach Brüssel – als Einzige ihrer Partei. "Technisch gesprochen bin ich meine eigene Delegation." Dass sie Teil der großen liberalen Fraktion ist, habe den Start leichter gemacht als vor einem Jahr in Wien, als die NEOS bei null starteten.
Gewöhnungsbedürftig findet sie das viele Reisen: "Man hat das Gefühl, nie irgendwo wirklich anzukommen." Anders als die meisten Kollegen will sie nicht jede Woche nach Österreich fliegen.
Amüsiert hat Mlinar ein Beschwerdebrief nach den Hearings – weil sie, die Kärntner Slowenin, die slowenische Kommissars-Kandidatin auf Slowenisch befragte – und nicht auf Deutsch.
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