Großoffensive an der Heimatfront

Präsident Obama gibt alles, um doch eine Mehrheit für Syrien-Militärschlag zu gewinnen

Dieser Tage kann man Barack Obama dabei zusehen, wie er unter der Last der Verantwortung altert. Der US-Präsident gibt alles, um seine Verbündeten in der Welt, aber auch seine Landsleute von der Notwendigkeit und Richtigkeit eines Militärschlags gegen das syrische Regime von Präsident Bashar al-Assad zu überzeugen. Bis jetzt mit mäßigem Erfolg. Mit dem Ende der Sommerpause des US-Kongress am Montag gibt er Vollgas – muss er auch angesichts des Gegenwindes, der ihm in Amerika entgegenschlägt.

Gleich sechs großen Fernsehstationen gibt Obama an diesem Montag Interviews, mit denen er das Volk doch noch hinter sich versammeln will. Am Dienstagabend wendet er sich mit einer Rede an die Nation. Noch heute informiert die US-Regierung beide Häuser des Kongresses über ihre Pläne sowie Beweise für den Giftgasanschlag am 21. August gegen Zivilisten, darunter viele Kinder, nahe Damaskus. Nach US-Angaben kamen 1426 Menschen elend zu Tode. Laut CNN zeigte die Regierung 13 verstörende Videos Senatoren, um eine Mehrheit für einen Militärschlag zu erreichen. CNN zeigte am Wochenende, nach einem Warnhinweis, Ausschnitte daraus.

„Ich war es nicht“

Bashar al-Assad ging in die mediale Gegenoffensive. „Es gibt keine Beweise, dass ich Chemiewaffen gegen meine Bevölkerung eingesetzt habe. Ich war es nicht“, sagte Assad dem US-Sender CBS. Das Interview soll heute teilweise ausgestrahlt werden. Bild am Sonntag berichtete von deutschen Geheimdienstinformationen, wonach die treibende Kraft für den Giftgaseinsatz tatsächlich nicht Assad, sondern einige seiner Offiziere gewesen seien. Laut den Abhörspezialisten wurde der Einsatz wahrscheinlich nicht von Assad persönlich genehmigt.

Selbst Obamas Staatschef räumte ein, dass die USA keine hundertprozentig sicheren Beweise für eine Verbindung des syrischen Regimes zur Giftgasattacke vom 21. August haben. Unabhängig von geheimdienstlichen Informationen sage es der gesunde Menschenverstand, "dass das Regime das ausgeführt hat".

In vielen US-Städten gingen Friedensaktivisten gegen Obamas Pläne auf die Straßen. „Oh nein, nicht schon wieder!“ war auf einem Plakat zu lesen. Das gibt die Stimmung der kriegsmüden Amerikaner nach den Desastern in Afghanistan und im Irak wieder. Laut einer Studie des Pew Research Center befürworten nur 28 Prozent einen Militäreinsatz gegen das Assad-Regime. 48 Prozent sind dagegen. In Umfragen von ABC News und Washington Post sprachen sich gleich sechs von zehn Befragten gegen einen US-Alleingang aus.

Wahljahr steht bevor

Dementsprechend zögerlich reagiert auch der Kongress auf Obamas Appell, ihm grünes Licht zu geben. Schließlich ist 2014 für alle 435 Mitglieder des Repräsentantenhauses und 33 der 100 Senatoren ein Wahljahr. ABC News zählte im Repräsentantenhaus 225 erklärte oder „wahrscheinliche“ Gegner der Intervention. 217 Stimmen bedarf es für eine Ablehnung oder Zustimmung. Binnen zwei Wochen soll die Entscheidung fallen.

Diese Woche dürfte im Senat abgestimmt werden. Laut Recherchen der New York Times hat Obama derzeit 25 Senatoren auf seiner Seite, 56 sind unentschlossen, 17 dagegen, zwei hielten sich bedeckt. Obama braucht aber 60 Senatoren, um eine Dauerdebatte zu verhindern. Präsident und sein Team wollen Kongressmitglieder mit Einzeltelefonaten und Hintergrundgesprächen überzeugen. Die New York Times vergleicht das mit dem Kraftakt Obamas für die Gesundheitsreform 2009. Damals errang Obama den Sieg.

Der US-Präsident ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, die Befugnis, Kriege zu erklären oder zu beenden, liegt jedoch nach US-Verfassung beim Kongress. Unter bestimmten Bedingungen kann der Präsident Einsätze des Militärs anordnen. Dabei kann er sich um die Zustimmung des Kongresses bemühen, oder sich auf seine Autorität als Oberbefehlshaber berufen. In der Praxis entscheidet der Präsident über den Gebrauch militärischer Gewalt, der Kongress segnet lediglich ab. Die letzte offizielle Kriegserklärung durch den US-Kongress fand während des Zweiten Weltkriegs statt. Der politische Konflikt um den Vietnamkrieg – Präsident Johnson hatte einfach am Kongress vorbei gehandelt – führte 1973 zum „War Power Act“.

Durch die fehlende juristische Präzision dieses Dokuments wird es dem Präsidenten seitdem ermöglicht, 60 Tage Krieg zu führen, ohne dass der Kongress ihn daran hindern kann. Bei ablehnendem Kongress-Votum bleiben ihm weitere 30 Tage zum Rückzug. Von dieser Option machte Obama 2011 in Libyen Gebrauch, als der Kongress gegen einen Angriff stimmte.

Die syrisch-orthodoxe Gemeinde in Wien drängt auf die bevorzugte Aufnahme von syrischen Christen in Österreich. Man wolle sich gegenüber der Regierung für alle im Stich gelassenen Christen in Nahen Osten einsetzen, da diese „nicht in den Golfstaaten und Saudi-Arabien um Asyl ansuchen können“, sagte der syrisch-orthodoxe Bischof Emanuel Aydin am Sonntag der APA.

500 Flüchtlinge aus Syrien sollen in Österreich Zuflucht finden. Innenministerin Mikl-Leitner betonte gestern, dass niemand wegen seiner Religionszugehörigkeit ausgeschlossen werde. Es gehe darum, Schutzbedürftigen Zuflucht zu gewähren: „Das sind grundsätzlich Frauen und Kinder und verfolgte religiöse Minderheiten – und im Falle Syriens sind das nun einmal vor allem auch Christen.“ Die orthodoxe Kirche soll in die Festlegung der Kriterien für die Aufnahme von Flüchtlingen ebenso einbezogen werden wie das UN-Flüchtlingshilfswerk und die Internationale Organisation für Migration.

In Syrien meldeten Rebellen die Einnahme des christlichen Pilgerorts Maalula nahe Damaskus. Welche Rebellengruppe jetzt Maalula kontrolliert, war unklar. Im Libanon beteten orthodoxe Christen für das Leben der Menschen in dem Christendorf.

Papst-Friedensappell

Papst Franziskus geißelte am Sonntag in einem neuen Friedensappell für Syrien Waffengeschäfte als möglichen Hintergrund für den dortigen Bürgerkrieg. Tausende Gläubige beteten mit ihm am Petersplatz für ein Ende des Blutvergießens. „Lasst uns mit neuem Einsatz für eine gerechte Lösung in dem mörderischen Konflikt arbeiten“, sagte der Pontifex.

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