"Große Sorge": Merkel für härteren, längeren Lockdown
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel will schon kommende Woche und nicht erst wie geplant am 25. Januar mit den Ministerpräsidenten der Länder über das weitere Vorgehen in der Corona-Pandemie beraten.
Die in Großbritannien aufgetauchte Variante des Coronavirus verbreite sich viel schneller als die ursprüngliche Form, Wissenschaftler seien in großer Sorge. Die Mutation des Virus sei nach Ansicht aller sehr aggressiv, deren Verbreitung müsse verlangsamt werden. Man müsse jetzt handeln.
Es gebe derzeit keinen Spielraum für Öffnungen. Merkel wurde mit den Worten zitiert, man sei in einem Wettlauf mit der Zeit und könne nicht bis zum 25. Januar warten. Nur verschärfte Maßnahmen könnten ein exponentielles Wachstum stoppen. Die Mutation bereite "große Sorge“.
Öffi-Verkehr bleibt
Montag oder Dienstag kommender Woche sind als Termin für die nächste Ministerpräsidentenkonferenz mit Merkel im Gespräch.
Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier sagte, die nächste Sitzung solle so bald wie möglich stattfinden. Ein Schwerpunkt der Beratungen müsse auf die Altenheime gelegt werden.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte zuvor schon einen früheren Termin als den 25. Januar für die nächsten Beratungen befürwortet.
Einen Bericht der Bild-Zeitung, wonach im Kanzleramt über die Einstellung des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs nachgedacht werde, wies Merkel nach Angaben mehrerer Teilnehmer zurück. In der Vorstandssitzung sagte die Kanzlerin nach weiteren Informationen, keiner wolle den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) schließen. Vielmehr müsse der ÖPNV entlastet werden, indem Arbeitnehmer mehr im Homeoffice arbeiteten und so die Kontakte weiter reduziert werden könnten.
"Müssen auf die Mutation reagieren"
Nach Angaben der Bild warnte auch Kanzleramtschef Helge Braun vor den möglichen Auswirkungen der Corona-Mutation auf das Infektionsgeschehen. Das Kanzleramt habe zwar „keine Beweise, aber Indizien“ für die Gefahr der neuen Variante des Virus. Man müsse jetzt handeln, erklärte Braun demnach weiter.
Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans sagte: "Wir müssen auf die Mutation reagieren. Sonst werden uns die Bürger das nicht verzeihen.“
Bisher ist es nach der Statistik des Robert Koch-Instituts (RKI) nicht gelungen, die Infektionsraten in Deutschland massiv zu drücken. Mehr als 25 000 neue Covid-Fälle meldete das Institut am Donnerstag. Damit bleibt es trotz kleiner Lichtblicke, die noch keinen Trend belegen, bei einem viel zu hohen Plateau.
"Für mich ist das kein vollständiger Lockdown"
RKI-Präsident Lothar Wieler betonte am Donnerstagvormittag, dass die bisherigen Pandemie-Regeln aus seiner Sicht nicht ausreichen. „Diese Maßnahmen, die wir jetzt machen - für mich ist das kein vollständiger Lockdown“, sagte Wieler. „Es gibt immer noch zu viele Ausnahmen und es wird nicht stringent durchgeführt.“ Mit Blick auf ansteckendere Mutationen des Coronavirus ergänzte er: „Es besteht die Möglichkeit, dass sich die Lage noch verschlimmert.“
Merkel lobte nach Teilnehmerangaben am Abend die Leistung der Pharmafirmen in Deutschland. Es sei sensationell, dass bereits nach zehn Monaten ein Impfstoff da sei - von einer deutschen Pharmafirma. Nun werde er in Deutschland und Europa hergestellt. Die Mainzer Firma Biontech und der US-Partner Pfizer seien ein gutes Beispiel für transatlantische Zusammenarbeit. Was von den Pharmafirmen in Deutschland geleistet werde, sei toll. Dies sei auch ein Beweis dafür, dass die soziale Marktwirtschaft funktioniere. Es werde Tag und Nacht daran gearbeitet, dass ein Impfstoff entwickelt und produziert werde.
Die Kanzlerin dankte demnach in diesem Zusammenhang besonders Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der viel Kontakt mit Firmen und Forschern habe. Spahn, der unter anderem vom Koalitionspartner SPD heftig für seine Impfstoff-Politik kritisiert worden war, hatte nach weiteren Angaben in der Präsidiumssitzung gesagt, man sei in der schwersten Phase der Pandemie. Auch im Ausland sehe man, dass auch Corona-Impfungen einen Lockdown nicht verhindert hätten. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus lobte, dass die Bundeswehr 10 000 weitere Soldaten zum Kampf gegen die Corona-Pandemie einsetze.
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