"Große Skepsis" über neue Grenzziehungen am Balkan

"Große Skepsis" über neue Grenzziehungen am Balkan
Bei einem informellen Treffen der EU-Außenminister, warnte Chefdiplomatin Karin Kneissl vor einem Gebietstausch.

Erstaunlich emotional reagierten etliche EU-Außenminister bei ihrem informellen Treffen in Wien über den Plan des serbischen und kosovarischen Präsidenten, Gebiete zu tauschen und Grenzen neu zu ziehen.

Aleksandar Vučić und Hashim Thaçi präsentierten diesen Vorschlag vor wenigen Tagen. Seither gehen die Wellen hoch.

Außenministerin Karin Kneissl sieht einen möglichen Gebietstausch mit „großer Skepsis. Grenzänderungen, das haben wir immer wieder gesehen, haben ihre Probleme aufgeworfen“. Ihr deutscher Amtskollege, Heiko Maas, hält einen Gebietstausch auch nicht für „zielführend“, das würde nur „alte Wunden wieder aufreißen“. Und Luxemburgs Chefdiplomat Jean Asselborn warnt vor „negativen Auswirkungen auf andere Länder in der Region“, die Büchse der Pandora werde dadurch geöffnet. Kneissl nannte in diesem Zusammenhang die „Wahrnehmung“ in Bosnien-Herzegowina als „ganz brisant“.

Vučić und Thaçi suchen seit Langem eine Lösung im Streit um die Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo durch Serbien. Ein rechtlich bindendes Abkommen zwischen den beiden Ländern, das derzeit im Rahmen des von der EU initiierten Dialoges verhandelt wird, ist Voraussetzung für eine weitere EU-Annäherung beider Staaten.

Die Außenbeauftragte der EU, Federica Mogherini, rechnet mit einem entsprechenden Abkommen „in den nächsten Monaten“, kündigte sie gestern an. EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn wies darauf hin, dass jede Lösung des Konflikts dazu beitragen müsse, die Stabilität in der Region zu verbessern. Die Lösung sei für die weitere Entwicklung des ganzen Westbalkans von „unabdingbarer Relevanz“.

Bisher galten neue Grenzziehungen im ehemaligen Jugoslawien als Tabu. 1991 hat eine Schiedskommission (Badinter-Kommission, benannt nach dem damaligen Präsidenten des französischen Verfassungsgerichts, Anm.) die juristischen Fragen im Zusammenhang mit dem Zerfall Jugoslawiens geklärt und festgestellt, dass die alten Binnengrenzen von Jugoslawien bei zukünftigen Lösungen nicht verschoben werden sollten. Dieses Prinzip hat seither für die Unabhängigkeitserklärungen aller neuen Staaten am Balkan gegolten. Von diesem Grundsatz will man jetzt abweichen. Historiker und Experten sehen darin die Rückkehr eines Triumphs des „ethnischen Prinzips“ und eines „neuen Nationalismus“.

Von der Trump-Administration wird der Vorstoß von Vučić und Hashim Thaçi unterstützt, sie seien die neuen „Dealmaker am Balkan“ heißt es von Seiten der USA.

Offen ist, ob die beiden Präsidenten in ihren jeweiligen Ländern die Unterstützung des Parlaments und der Öffentlichkeit für ihre Grenzkorrekturen bekommen. Ein Gebietstausch zieht Verfassungsänderungen und Referenden nach sich.

Türkischer Gast

Thema des informellen EU-Außenministerrates war auch die Türkei, die Beitrittskandidat ist. Auch wenn der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu, der Gast der EU-Minister war, von einer Verbesserung der Beziehungen zur EU sprach, erklärte EU-Kommissar Hahn, dass die Beitrittsgespräche mit Ankara „auf Eis liegen und in absehbarer Zeit keine neuen Beitrittskapitel geöffnet werden“.

Laut Hahn wäre „ein Signal“, der wirtschaftlich schwer angeschlagenen Türkei unter die Arme zu greifen, die Modernisierung der Zollunion, die seit 1995 zwischen der Türkei und der EU besteht. Allerdings gebe es noch gewisse Vorbehalte unter den EU-Staaten, sagte Hahn.

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