Bei der berühmten Royal Henley Regatta Anfang Juli haben die Organisatoren vorab eine Warnung geschickt: Ruderer sollten Schnitt- und Schürfwunden abdecken, während der Regatta kein Flusswasser schlucken, die Ausrüstung gründlich reinigen und keine Mannschaftsmitglieder beim Feiern in die Themse werfen. Denn: Das alles könnte sie krank machen.
"Kacke im Wasser"
Es wäre nicht das erste Mal. Nach dem traditionellen Boat Race zwischen Cambridge und Oxford im April meinte Oxford-Teammitglied Leonard Jenkins zu BBC: „Es wäre viel schöner gewesen, wenn nicht so viel Kacke im Wasser gewesen wäre.“ Jenkins hätte sich noch in der Früh übergeben müssen und war nicht sicher, ob er die Regatta mitmachen könnte. Drei andere Mitglieder hatten wegen Magen-Darm-Viren das Training verpasst.
Jenkins wollte das nicht als Ausrede für die Niederlage verstanden haben: „Wir hätten sie vielleicht nicht geschlagen, selbst wenn wir alle in Topform gewesen wären.“ Vielmehr wollte er die dramatische Situation vor Augen führen: England schwimmt im Dreck.
Ungefiltertes Abwasser
Nach Angaben der Umweltbehörde wurde vergangenes Jahr 3,6 Millionen Stunden lang ungefiltertes Abwasser in Englands Flüsse, Seen und Meeresabschnitte gepumpt. Das ist doppelt so viel wie 2022. Und laut NGO Action River wurden daraufhin in der Themse E.coli-Werte von bis zu 25.000 KBE (koloniebildende Einheiten) pro 100 ml festgestellt. Das ist das 27-Fache des erlaubten Limits.
Der Branchenverband Water UK führt die Rekordwerte auf starke Regenfälle zurück. Denn in Großbritannien gibt es kombinierte Abwassersysteme. Regen und Abwasser werden dabei durch dieselben Rohre geleitet, bei starkem Unwetter können Kläranlagen durch den Regen überlastet werden. Um einen Rückstau zu verhindern, wird Abwässer vorsichtshalber in die Wasserwege abgeleitet.
EU-Austritt machte es möglich
Doch dass sich die privaten Wasserfirmen das seit Kurzem so sehr erlauben, dürfte einmal mehr am Brexit liegen. Denn das Vereinigte Königreich muss seitdem die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) der EU nicht mehr einhalten. Diese würde vorsehen, dass bis 2027 alle Flüsse einen „guten“ ökologischen Zustand erreichen.
2019, als der Wasserstand in England das letzte Mal gemessen wurde, befanden sich nur mehr 14 Prozent der Flüsse in einem guten ökologischen Zustand. Kein Fluss erfüllte die Standards für einen guten chemischen Zustand.
Den Briten stinkt die aktuelle Wassersituation gewaltig; regelmäßig gibt es Proteste von NGOs, Aufschreie auf Social Media, verärgertes Kopfschütteln beim Diskutieren im Pub. Und so hat Labour im Wahlkampf versprochen, die Situation zu verbessern. Zum Beispiel sollen strengere Bußgelder für illegale Abwassereinleitungen einführt werden. Diese, argumentiert Labour, könnten die Wasserbetriebe nicht ignorieren.
Doch es ist fraglich, ob diese Strategie aufgeht.
Denn Anfang Juli wurde Thames Water zu einer Geldstrafe von umgerechnet 3,9 Millionen Euro verurteilt, nachdem Millionen Liter ungeklärter Abwässer zwei Flüsse in der Nähe von Gatwick überflutet hatten. Richterin Christine Laing erklärte, Thames Water habe die Umweltbehörde während ihrer Untersuchung absichtlich getäuscht.
Auf dem Trockenen
Daraufhin erklärte das Unternehmen, das 16 Millionen Nutzer in London und dem Themse-Tal versorgt, nun fehle ihm das Geld. Es könne sich nur mehr bis Mai 2025 über Wasser halten. Um zu überleben, müsste das Unternehmen bis 2030 die Preise um 44 Prozent anheben. Vielleicht müsste das Wasser doch, wie es die Grünen vorschlagen, wiederverstaatlicht werden.
Inzwischen müssen sich Ruderer britischem Gewässer weiter mit Vorsicht nähern. Kommendes Wochenende findet eine weitere Regatta am Fluss Mersey statt. Er sei laut Forschern der Universität Durham so verschmutzt wie seit 40 Jahren nicht mehr.
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