Boris Johnson: Großmaul, Provokateur, Polit-Clown
Den Rotzlöffel zu mimen, den schrulligen Berserker, das liebt Boris Johnson. Es ist die Rolle seiner Wahl. Und er spielt sie mit Grandezza. Vielmehr aber: Mit Erfolg. Denn so sehr er auch wütet, um sich rotzt und pöbelt, sein Umfeld mit Kraftausdrücken vor den Kopf stößt, politische oder diplomatische Gepflogenheiten mit den Füßen tritt, wie lächerlich er auch erscheinen mag, wenn er in Unterhosen Journalisten Kaffee serviert – die britische Öffentlichkeit hat Gefallen gefunden an diesem Clown und vergibt ihm seine Fehltritte.
Und galt Johnson während der Brexit-Kampagne, zu deren Wortführer er sich als damals noch Bürgermeister Londons (2008 - 2016) gemausert hatte, noch als schrullige Randerscheinung, so ist er heute eine Macht in den Reihen der Tories – wenn auch eine mit großer Gegnerschaft. Eine aber, die zugleich penibel das Image des hemdsärmeligen Außenseiters bei den Konservativen pflegt und damit Erfolg hat.
Heute wird Boris Johnson am Parteitag der Konservativen in Birmingham zu den Delegierten sprechen. Vorangegangen waren seinem Auftritt Salve um Salve gegen die Parteichefin und Premierministerin Theresa May. Beide liegen einander wegen der Brexit-Strategie in den Haaren. Mays Pläne für den Ausstieg Großbritanniens aus der EU nannte Johnson „geisteskrank“. Was der 54-Jährige, gerade in Scheidung lebende Polit-Schalk mit dem Blondschopf anstrebt, erscheint aber klar: Den Vorsitz der Partei und das Premiersamt.
Dabei hatte Johnson selbst über seine eigenen Aussichten, britischer Premierminister werden zu können, einmal gesagt: Die Chancen dafür seien in etwa so groß, wie Elvis auf dem Mars zu finden oder als Olive wiedergeboren zu werden. Wäre da nicht seine Biografie, die einen an Elvis auf dem Mars und die Reinkarnation glauben lässt. Denn Johnson ist einer, der im Laufe seines Lebens konsequent nach oben fiel.
Oberschicht-Spross
Er ist das Kind wohlhabender Eltern und Spross einer wohlsituierten Familie. Der Vater saß einst als konservativer im EU-Parlament, die Mutter war Malerin, der Bruder Minister im Kabinett des konservativen Premierminister Cameron (den Boris Johnson indirekt zu Fall brachte), seine Schwester arbeitet als Journalistin.
Johnson studierte in Oxford. Danach wurde er Journalist – und von seinem erstem Arbeitgeber (The Times) gleich per Fußtritt verabschiedet, nachdem er ein Zitat absichtlich verfälscht hatte. Das Boulevardblatt The Telegraph nahm ihn mit offenen Armen auf und schickte ihn als Korrespondent nach Brüssel, wo er sich als Autor teils erfundener, teils schwer überzogener Geschichten einen Namen machte. Und dann war er plötzlich Chefredakteur des konservativen Magazins The Spectator. Dann Abgeordneter, Bürgermeister Londons, Außenminister und schließlich Heißsporn in der britischen Spitzenpolitik, der Kabarettisten das Leben schwer macht - weil Johnson kaum eine Parodie gerecht werden kann.
Für eine Stimme für die Tories spreche, „dass dann die Brüste deiner Frau größer werden und die Chancen steigen, einmal einen BMW M3 dein Eigen zu nennen“ – so warb Johnson um Stimmen. Zu seiner Unterstützung für David Cameron, dem Johnsons Brexit-Kampagne letztlich das Genick brach, sagte Johnson: Cameron unterstütze er aus „rein zynischem Selbstinteresse“.
Anzuecken, zu provozieren, das ist Johnsons Ding. Dass sich seine Familie durchwegs gegen einen Ausstieg aus der EU aussprach (von den Eltern über die Geschwister bis hin zu seiner Frau) schien Johnson nur noch mehr anzuspornen. Ob das letztlich seine Ehe scheitern ließ, ist nicht bekannt. Nach 25 Jahren Ehe gaben Johnson und seine Frau Marina Wheeler erst unlängst bekannt, sich scheiden lassen zu wollen. Das Paar hat vier Kinder. Ausschlaggebend sollen letztlich zahllose Affären Johnsons gewesen sein.
„Welt-König“ habe Boris Johnson immer werden wollen, so erinnert sich seine Schwester Rachel an ihren Bruder in Kindheitstagen. Ein Traum, den er anscheinend nie abgelegt hat.
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