Gröxit: Als sich Grönland von der EU loseiste
Wenn die Briten tatsächlich die EU verlassen, sind sie nicht die ersten, die der Union den Rücken kehren. Schon die Grönländer praktizierten einst den "Gröxit" und traten aus.
Grönland wurde als Teil von Dänemark Mitglied der damaligen EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, Anm.), der Vorläufer der EU. Allerdings: Bei der Volksabstimmung in Dänemark 1972 stimmten nur 3.905 Grönländer für eine EWG-Mitgliedschaft, 9386 dagegen. Vor allem das Thema Fischfang und die damit verbundene Öffnung der Gewässer für europäische Fangflotten war den Inselbewohnern ein Dorn im Auge. Auch der mit der EWG-Mitgliedschaft verbundene Zugang zu den Bodenschätzen auf der größten Insel der Welt sorgte für Ärger bei den Grönländern.
Langwierige Verhandlungen
Es entwickelte sich eine Volksbewegung mit dem Ziel, die Insel, die seit 1979 die Autonomie hatte, von der EWG loszueisen. Am 23. Februar 1982 gab es eine Volksabstimmung, bei der sich 53 Prozent der Grönländer für einen EWG-Austritt aussprachen. Von den 23.795 Wählern stimmten 12.615 für den "Gröxit", 11.180 für den Verbleib. Es dauerte jedoch drei Jahre bis das Eiland tatsächlich auch austreten konnte.
Nach dem Votum folgte eine Serie von schwierigen und langwierigen Verhandlungen zwischen EWG-Verantwortlichen und den Regierungen in Grönland und Dänemark. Man wollte die EWG zwar verlassen, aber trotzdem weiterhin mit den Mitgliedstaaten handeln. Diese spielten aber offenbar auf Zeit, um den Austritt zu blockieren oder eine noch bessere Verhandlungsposition einzunehmen. Dem Parlament in Nuuk platzte der Kragen. Grönland beschloss, die EWG ganz einfach ohne Vereinbarung zu verlassen. Die dänische Regierung war überrascht, stellte sich aber auf die Seite Grönlands.
Dann ging alles sehr schnell. Die Vereinbarung, die der Insel das Recht gibt, weiterhin über seinen Fischfang zu regeln und in anderen Länder zu verkaufen, wurde unterzeichnet. "Die EU erhielt fast die gleiche Menge an Fangrechte sie vorher hatten, und wir hatten die gleiche Menge an Geld für unsere Fische ", sagt Lars Vesterbirk, Grönlands ehemaliger EU-Repräsentant und damaliger Verhandlungsführer, zu POLITICO.
Dafür, dass die europäischen Fischereiflotten weiter in grönländischen Gewässern fischen können, zahlt Brüssel Grönland sehr viel Geld. Für den Zeitraum von 2014 bis 2020 erhält die Insel durch die sogenannte EU-Grönland-Partnerschaft rund 217 Millionen Euro für den Bildungs- und Wirtschaftssektor sowie den Arbeitsmarkt. Grönland hat weiterhin Zugang zum gemeinsamen Binnenmarkt und die Einwohner werden wie EU-Bürger behandelt.
Austritt 1985 vollzogen
Die Argumente gegen einen Austritt, die damals vorgebracht wurden, erinnern stark an jene, die rund um den Brexit zu hören sind. "Uns wurde erklärt, dass es schlecht für Grönland sei, die Wirtschaft würde zusammenbrechen, die Preise explodieren und es wäre schlicht unmöglich weiter auf der Insel zu leben", erinnert sich Lars-Emil Johanson, der grönländische Parlamentspräsident, in einem Interview für die englische Zeitung dailymail.
Obwohl nur relativ wenige wirtschaftliche Verbindungen zu entflechten waren (die meisten betrafen ohnehin nur das Thema Fischfang), wurde der Gröxit erst 1985 vollzogen. Seither sind die Grönländer zwar dänische Staatsbürger, aber keine EU-Bürger. Grönland handelte sich mit der EU einen Assozierungsvertrag aus und die Insel gilt aktuell als Überseeterritorium der EU (OCT). Das heißt Grönland gehört nicht zum Zollgebiet der Gemeinschaft, der Status als OCT bringt den 56.000 Grönländern aber zumindest die Vorteile einer Zollunion.
Re-Union mit der Union?
Nun wird auf der Insel übrigens ein möglicher Wiedereintritt in die EU debattiert. Es geht vor allem darum, mehr Infrastruktur-Investitionen ins Land zu holen und weniger von der Fischindustrie abhängig zu sein. "Wir sollten uns zumindest Gedanken über die Option machen", sagte Michael Rosing, demokratisches Parlamentsmitglied in Grönland, zur Nachrichtenagentur Reuters.
Grönlands ehemaliger EU-Repräsentant Vesterbirk appellierte vor dem Brexit-Referendum, dass die Briten immer daran denken sollten, dass die EU ein Benefit für die Mitgliedsstaaten darstellt und nicht für jene außerhalb der Gemeinschaft. "Du bekommst nichts, wenn du nicht gibst."
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