Griechenland: "Gutes Geld schlechtem hinterher geworfen"

Griechenland kämpft weiter gegen Schuldenkrise
Nur kleiner Teil der Hilfsgelder landete in griechischem Haushalt. Forscher erklärt, wieso.

Der griechischen Tragödie dritter Teil wird derzeit zwischen Athen und Brüssel aufgeführt. Wieder wird verhandelt, wieder dräut die Krise, der Grexit, die Pleite. Hellas braucht neues Geld, aus dem dritten Hilfspaket sollen 86 Milliarden kommen, freilich nicht ohne strenge Auflagen für das gebeutelte Land: Rentenkürzungen, Steuererhöhungen und Privatisierungen sind weiter geplant, dazu ein "Sparprogramm auf Vorrat" für den Notfall.

Griechenland spart und spart - doch das Ende der Schuldenkrise ist nicht in Sicht. Wieso das so ist, darüber gibt eine neue Studie Auskunft, über die zunächst das Handelsblatt berichtete. Die European School of Management and Technology (ESMT) in Berlin hat herausgefunden, dass von den enormen Summen an Hilfsgeldern nur ein Bruchteil im griechischen Haushalt landete, wie ESMT-Präsident und Studienautor Jörg Rocholl dem KURIER darlegt.

Schuldenschnitt

Aus den ersten beiden Paketen flossen 215,9 Milliarden Euro von Brüssel Richtung Ägäis. Davon kamen nur 9,7 Milliarden in den Athener Haushalt - das sind weniger als fünf Prozent. Neu ist der Verdacht nicht, dass vor allem deutsche, italienische und französische Banken - als Gläubiger - von den Programmen profitierten. Die ESMT belegt ihn nun in ihrem 24 Seiten langen Bericht "Where did the Greek Bailout Money go?"

Die Autoren überprüften über Wochen jede einzelne Kredittranche für Griechenland. Mehr als 64 Prozent gingen für die Schuldenbedienung drauf, 17 Prozent wurden für die Rekapitalisierung der griechischen Banken verwendet. 14 Prozent wurden für Investoren-Anreize genutzt.

Die Gründe für die Krise sieht die ESMT in der griechischen Unfähigkeit, das Budgetdefizit in den Griff zu bekommen und strukturelle Reformen anzugehen. Doch auch die andere Seite trägt Schuld: Die Hilfspakete waren falsch konstruiert. Ein Schuldenschnitt schon im Mai oder April 2010 wäre sinnvoller gewesen, sagt Rocholl - "damit nicht im Nachhinein das gute Geld dem schlechten hinterher geworfen wird." Bei einem normalen Schuldenfall würden erst die bestehenden Gläubiger zur Kasse gebeten, dann erst neues Geld in die Hand genommen. In der griechischen Causa war es laut Rocholl umgekehrt. "Es kam Geld auf der öffentlichen Hand, letztlich vom europäischen Steuerzahler, ohne einen Schuldenschnitt zu haben."

Klare Schritte empfohlen

Man hätte sonst jene Banken stützen müssen, die in griechische Staatsanleihen investiert hatten. Daraus leitet sich auch Rocholls Kernforderung ab: Derzeit können Banken in Europa immer noch unbegrenzt Staatsanleihen kaufen. Rutscht ein Staat Richtung pleite und Schuldenschitt, reißt er die Banken mit, eine Rekapitalisierung wird nötig. "Das ist eins der größten Versäumnisse bei der bestehenden Regulierung", meint der Forscher. Nötig wären Restriktionen, eine Begrenzung für Banken, diese Anleihen zu kaufen.

Außerdem, meint Rocholl, seien die Strukturreformen der Griechen noch lange nicht auf dem gewünschten Stand. Zwar seien einige Privatisierungen erfolgt, wie der Hafen von Piräus, doch hätten die bisherigen Maßnahmen einen viel zu großen fiskalischen Fokus. Die öffentliche Verwaltung sei noch immer ineffizient, die Katasterämter dienen als Negativbeispiel. Auch unter der Regierung Tsipras habe sich daran wenig geändert.

Einen neuen Schuldenschnitt allerdings empfiehlt Rolloch nicht. Derzeit müsse Athen aufgrund der vorangegangenen Programme ohnehin wenig an Zinsen zahlen.

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