Der griechischen Tragödie letzter Akt

"Befreit Griechenland aus dem Gefängnis Europa": Grafiti in Athen
Großer Sondergipfel der Eurozone in Brüssel: Athen legte Pläne für "endgültige Lösung" vor. "Eine gute Basis", hört man aus Brüssel.

Vor dem Doppel-Sondergipfel am Montag in Brüssel, bei dem ab Mittag die Finanzminister, am Abend dann die Staats- und Regierungschefs der Eurozone tagen, schlug am Wochenende die Stunde der Telefon-Diplomatie: EU-Ratspräsident Donald Tusk hielt ständigen Kontakt zur Europäischen Zentralbank, dem Internationalen Währungsfonds und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Juncker selbst führte mehrere Gespräche mit Alexis Tsipras.

Tsipras: "Endgültige Lösung"

Der griechische Premier präsentierte am Sonntag in Telefonaten mit Juncker, der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande seine Vorschläge für eine "endgültige Lösung" der griechischen Schuldenkrise. Diese seien eine "gute Grundlage", twitterte Martin Selmayr, Junckers Kabinettschef, in der Nacht auf Montag. Die Liste sei bei der Kommission, beim IWF und der EZB eingegangen, bestätigte Selmayr. Das sei eine gute Basis für Fortschritte beim bevorstehenden Gipfel.

Am Nachmittag hatte Tsipras diese Pläne in einer mehrstündigen Notfallsitzung mit seinem Kabinett diskutiert. In Brüssel hielten sich die Experten der Geldgeber-Vertreter am Wochenende rund um die Uhr bereit, um neue Ideen aus Athen umgehend bewerten zu können.

Wer bewegt sich?

Was auch immer in den geheimen Telefonaten besprochen wurde – öffentlich richteten sich beide Seiten unverändert die bekannten Positionen aus.

Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble forderte am Sonntag erneut Reformen von Athen ein: "Wo in Europa Reformen nicht nur beschlossen, sondern auch umgesetzt worden sind, hat unsere Stabilisierungspolitik in den letzten Jahren funktioniert." Das war die Botschaft der letzten Tage an die griechische Regierung: Es könne eine Einigung auf Verlängerung bzw. Auszahlung der ausständigen Milliarden aus dem laufenden Hilfsprogramm nur dann geben, wenn Athen sich bewege und weiteren Reformen zustimme. Der Ball liege bei den Griechen.

Umgekehrt fordert Finanzminister Yanis Varoufakis ein Umdenken und Einlenken der Gläubiger: "Die deutsche Kanzlerin steht am Montag vor einer entscheidenden Wahl", schrieb Varoufakis in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Merkel könne in eine "ehrenvolle Einigung" einwilligen – oder "die einzige griechische Regierung über Bord werfen, die prinzipientreu ist und die das griechische Volk mitnehmen kann auf den Pfad der Reform".

Geldsorgen drohen sofort

Hinter den Kulissen wird schon an einem "Plan B" gearbeitet. Und selbst im Falle einer Einigung könnte Griechenland kurzfristig vor Geldsorgen stehen: Weil die Auszahlung weiterer Hilfsgelder erst erfolgen wird können, wenn mehrere nationale Parlamente den Reformplan abgesegnet haben und das Parlament in Athen Reformen beschlossen hat, können die Gelder wohl erst im Juli fließen. Athen muss aber schon Ende Juni eine Sammel-Rate aller in diesem Monat fälligen Zahlungen an den IWF leisten – 1,6 Milliarden Euro. Zeitgleich muss die Regierung 2,2 Milliarden für Renten und Löhne aufbringen. Vize-Finanzminister Dimitris Mardas dementierte am Sonntag jedoch eine Finanzierungslücke: "Wir werden die Renten und Löhne normal zahlen."

Im Schuldendrama um Griechenland geht Österreichs Finanzminister Hans Jörg Schelling davon aus, dass die griechischen Banken am morgigen Montag öffnen. "Ich glaube sagen zu können, ja", sagte Schelling in der ORF-Pressestunde am Sonntag. Er sehe auch in den nächsten Tagen kein Problem, sagte er. Wichtig sei, dass die EZB die Banken weiter finanziere, solange diese nicht insolvent sind.

Die Banken müssten liquide bleiben. Schelling verwies darauf, dass die Hellas-Banken beim EZB-Stresstest gut abgeschnitten hätten. Dass so viele Bankkunden gleichzeitig ihr Geld abheben, würde niemand aushalten, so Schelling.

Zu Medienberichten, wonach Athen die Juni-Gehälter kürzen muss, sagte Schelling, er gehe davon aus, dass Griechenland allen Verpflichtungen nachkommen kann, bis es zu einer Lösung oder auch "Nicht-Lösung" kommt.

"Emotionale Ebene" erschwert Verhandlungen

Die Verhandlungen mit Athen seien so schwierig, weil es neben der inhaltlichen Diskussion um Reformen auch eine emotionale Ebene gebe. Griechenlands Finanzminister Yanis "Varoufakis macht in etwa immer dasselbe, er hält einen Vortrag wie vor seinen Studenten über seine Ansichten, will aber nicht über Zahlen, Daten und Fakten reden", schilderte Schelling. Man sei genervt, "weil wir ein Ergebnis wollen".

"Die Eurogruppe arbeitet nicht an einem Ausstieg", beteuert Schelling

Die Idee einer gemeinsamen Einlagensicherung, über die der "Spiegel" am Freitag berichtete, sei nicht neu, man diskutiere schon länger darüber. Schelling sagte, die EZB und die Institutionen wären auf ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone vorbereitet, auch wegen der Ansteckungsgefahr für andere Länder. Ein Grexit wäre ein "Rückschlag für den europäischen Gedanken", so Schelling.

Ein Grexit wäre "extrem schmerzhaft", Österreich könne dies aber verkraften. Die Republik haftet mit insgesamt rund acht Milliarden Euro für Griechenland, davon mit 1,6 Mrd. Euro direkt über bilaterale Kredite, die laut Schelling das österreichische Staatsbudget direkt belasten würden. Die Haftungen Österreichs für den Rettungsschirm EFSF in der Höhe von 4,3 Mrd. Euro sowie die EZB-Mittel über 2,2 Mrd. Euro würden beide nicht schlagend werden, so Schelling. Hier gebe es kein unmittelbares Risiko.

Schelling erklärte, auch er kenne den Letztstand der Verhandlungen nicht. Es gebe ein "Non-Paper" der Institutionen, deren Vorschläge liege den Finanzministern nicht vor, man kenne sie nur aus den Zeitungen.

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