"Es könnte zu einem Protestergebnis kommen"

Kourkoulas: Vertrauensverlust der traditionellen Parteien
Athen kämpft gegen die Finanzkrise, Jugendarbeitslosigkeit und mit einem Migrationsproblem.

Spannung im griechischen EU-Wahlkampf: Nicht nur, weil die linkspopulistische Syriza-Partei um Platz 1 kämpft. Erstmals haben Wähler die Möglichkeit, aus einer Liste von Kandidaten ihre Abgeordneten auszusuchen. Die Parteien haben keine durchnummerierten Listen. Wer am häufigsten angekreuzt wird, bekommt das Ticket. Vize-Außenminister Dimitris Kourkoulas, zuständig für EU-Fragen, über Wahlkampf und Krisenbewältigung.

KURIER: Herr Kourkoulas, rechts- und linkspopulistische Parteien legen zu. Warum?

Dimitris Kourkoulias: Das ist eine Folge der Krise. Die Goldene Morgenröte ist eine neofaschistische Partei. Syriza ist linksextrem ohne Programm. Syriza liegt in den Prognosen ganz nahe an der Regierungspartei Nea Demokratia. Das Drama der griechischen Politik ist der Vertrauensverlust der traditionellen Parteien.

Wird es eine Protestwahl?

Am Tag der EU-Wahl finden bei uns auch Kommunal- und Regionalwahlen statt. Bei den Regionalwahlen werden die Regierungsparteien nicht schlecht abschneiden, bei der EU-Wahl könnte es zu einem Protestergebnis kommen. Das Problem ist, dass die sozialistische Partei die Kosten für die Krise trägt. Syriza will Neuwahlen, der reguläre Termin wäre 2016.

Mehr als die Hälfte der Jugendlichen ist arbeitslos. Was macht die Regierung dagegen?

Es gibt mehrere Programme, bei denen Jobs für sechs Monate oder für ein Jahr vergeben werden. Nachhaltig ist das nicht. Die Lösung kann nur Wachstum nach sechs Jahren Rezession sein. Die Reformen wirken, wir haben ein kleines Wachstum, für 2015 legt die Wirtschaft um 2,6 Prozent zu. Wir haben durch die Krise mehr als zehn Jahre verloren.

Wann verlässt Griechenland den EU-Rettungsschirm?

Innerhalb der nächsten zwölf Monate.

Griechenland wird häufig wegen seiner Flüchtlings- und Asylpolitik kritisiert. Warum?

Bei zehn Millionen Einwohnern und 1,2 Millionen Arbeitslosen haben wir eine Million illegale Migranten. Das ist eine enorme finanzielle und gesellschaftliche Belastung für uns. Es gab organisierte Flüchtlingsströme, das haben wir durch eine verbesserte Überwachung der griechisch-türkischen Grenze gestoppt. Wir haben auch das Asylsystem reformiert. Illegale Migranten sind ein Problem der ganzen EU. Für eine gemeinsame Einwanderungspolitik und eine Lastenteilung gibt es keinen Konsens.

Wie schwer hat sich die Krise auf den Alltag ausgewirkt?

Wir konnten soziale und ökonomische Verwerfungen nicht verhindern, aber die Reaktion hätte noch gravierender sein können. Das familiäre Netzwerk und die Solidarität haben das Schlimmste verhindert. Die Menschen wollen auf jeden Fall in der Euro-Zone bleiben. Dafür haben sie viele Opfer und massive Sparpakete auf sich genommen.

Wie soll der Namensstreit mit Mazedonien gelöst werden?

Der Nationalismus in Skopje macht die Lösung schwieriger. Wir haben viele Schritte unternommen und nehmen an Gesprächen teil. Wir wollen eine von beiden akzeptierte Lösung. Skopje muss auf ihre radikale Haltung verzichten und zur Verbesserung der Beziehungen beitragen.

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