"Grexit auf Zeit?" Schäuble lässt nicht locker

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble.
Deutscher Finanzminister verteidigt "Grexit"-Plan. Stabilisierung der Lage sei anders unmöglich.

Wolfgang Schäuble bleibt hart. Auch nachdem das griechische Parlament in der Nacht auf Donnerstag das umstrittene Reformpaket, das u.a. eine Erhöhung der Mehrwertsteuer und automatische Ausgabenkürzungen vorsieht, verabschiedet hat, hält der deutsche Finanzminister an seiner Idee eines sogenannten "Grexit auf Zeit" fest. "Niemand weiß im Augenblick, wie das ohne einen Schuldenschnitt gehen soll", brachte Schäuble in einem Interview mit dem Deutschlandfunk am Donnerstag ein zeitweiliges Ausscheidens Griechenlands aus dem Euro erneut ins Spiel. "Und jedermann weiß, dass ein Schuldenschnitt mit der Mitgliedschaft in der Währungsunion nicht vereinbar ist. Das ist die Situation." Das sähen viele Ökonomen so.

Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat gegenüber ihrer Parlamentsfraktion die Debatte über einen möglichen zeitweisen Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone verteidigt. "Ich finde es ausdrücklich richtig, in einer solchen Situation jede Variante durchzudenken und zu diskutieren", sagte Merkel nach Teilnehmer-Angaben am Donnerstag in der Sondersitzung der Unions-Fraktion in Berlin.

Verwirrend

Schäuble wertete das nunmehrige "Ja" aus Athen zwar als wichtigen Schritt, die Entwicklung in Griechenland sei aber "ein bisschen verwirrend". Schließlich habe die Bevölkerung vor wenigen Tagen in einem Referendum für das genaue Gegenteil von dem gestimmt, was das Parlament nun beschlossen habe. Die Verabschiedung des Reformpakets war vor allem auch von Schäuble als Bedingung für die Aufnahme von weiteren Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket gefordert worden.

Griechenland sollte freiwillig austreten

Schäuble widersprach der Darstellung, dass die am Wochenende bei den Brüsseler Verhandlungen über die Griechenlandkrise erstmals ins Gespräch gebrachte Idee für den "Grexit" die Möglichkeit einer zwangsweisen Umsetzung gegen griechischen Willen beinhaltet habe. "Wir haben ja nie gesagt, wir zwingen das auf. Das können wir auch nicht, das wollen wir nicht. Hat niemand vorgeschlagen", sagte er.

Zu der Kritik, u.a. von Bundeskanzler Werner Faymann (siehe unten), an Deutschlands Rolle im Schuldenstreit sagte der Minister, es gehe nicht darum, Griechenland "etwas aufzuerlegen", sondern dabei zu helfen, dass sich die Griechen "irgendwann" den Lebensstandard leisten könnten, den sie sich leisten wollten. Dies setze Reformen voraus, um wettbewerbsfähig zu werden.

"Politisches Problem"

Schäuble betonte, es würden nun neue Verhandlungen mit Griechenland aufgenommen, um zu einer Lösung in Sachen Schuldentragfähigkeit zu kommen. Die Kombination aus "Grexit" auf Zeit und Schuldenschnitt werde zunehmend auch in Griechenland als der "bessere Weg" gesehen. Das Problem liege aber darin, dass Ministerpräsident Alexis Tsipras sich gegenüber dem griechischem Volk verpflichtet habe, in jedem Fall im Euro bleiben zu wollen, sagte der Finanzminister: "Ich glaube, es ist mehr ein politisches Problem einer Partei, die eben im Wahlkampf Versprechungen gemacht hat, vor denen sie gewarnt worden ist - zum Beispiel durch mich."

Scharfe Kritik von Faymann: "Ganz verkehrt"

In einem Interview mit dem Standard kritisierte Bundeskanzler Werner Faymann unterdessen die harte Haltung Schäubles scharf. "Finanzminister Schäuble hat mit diesem sogenannten harten Kurs bewirkt, dass manche den Eindruck hatten, vielleicht nützt es uns, wenn Griechenland aus der Währungszone herausfällt, vielleicht zahlen wir dann weniger", sagte Faymann der Zeitung am Mittwoch. Faymann nannte die Haltung Schäubles "ganz verkehrt". " Deutschland hat hier eine führende Rolle übernommen in Europa - und in dem Fall keine positive."

Geschadet habe die Haltung Berlins auch den Beziehungen mit Paris. "Besonders das zuletzt gute deutsch-französische Verhältnis ist auf die Probe gestellt worden, das hat man gemerkt", sagte Faymann der Zeitung. Der SPÖ-Chef sprach sich vehement gegen einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone aus. "Es ist moralisch nicht richtig, das wäre der Beginn eines Zerfalls." Schäuble berechne auch nicht die Kosten für die humanitäre Hilfe ein, die im Falle eines Grexit zu leisten sei, sagte Faymann. "Finanzminister Hans Jörg Schelling hat diese mit 50 Milliarden beziffert."

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