"Grenzschutz alleine löst keine Flüchtlingskrise"

Die Flüchtlingsboote die von Libyen aus Kurs auf Europa nehmen, sind kaum seetüchtig
Europol und Frontex warnen vor Dschihadisten unter Flüchtlingen und wollen die Zusammenarbeit verbessern. Außenminister Kurz äußert Misstrauen gegenüber dem Flüchtlingsdeal mit der Türkei.

Die europäische Polizeibehörde Europol warnte am Freitag vor neuen Anschlägen der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) in Europa. Vor allem könnten bei Anschlägen auch Autobomben zum Einsatz kommen. Dies argumentiert Europol damit, dass die Dschihadisten auch bei vorherigen Anschlägen ihre Vorgehensweise aus dem Nahen Osten kopiert hätten. In letzter Zeit gab es dort immer mehr Attentate mit Autobomben. Neben Syrien könnte laut der Polizeibehörde auch Libyen zu einem Sprungbrett für Dschihadisten werden.

Berndt Körner, dem Vizechef der Grenzschutzagentur Frontex, ist eine vertiefte Zusammenarbeit mit Europol sehr wichtig. "Wir haben mit dieser Migrationskrise ein völlig anderes Szenario als in den Flüchtlingsbewegungen zuvor. Zum einen mischen sich Terroristen unter die Flüchtlinge, zum anderen bereichern sich kriminelle Netzwerke an den Flüchtenden", sagte er am Freitag in Wien. Laut Europol waren Schleppernetzwerke im Vorjahr für 90 Prozent der in Europa gelandeten Flüchtlinge verantwortlich.

"Frontex als billigstes Taxi der Welt"

Vor Libyens Küste ist Frontex derzeit mit zehn Schiffen vertreten – hauptsächlich suchen sie schiffbrüchige Flüchtlinge knapp vor der libyschen Grenze und bringen diese nach Italien. "Es gibt dort den Witz, Frontex sei das günstigste Taxi der Welt – man setze Menschen in ein seeuntaugliches Boot und gebe ihnen ein Satellitentelefon. Frontex wird sie retten und gratis nach Italien bringen. So ist es auch, denn die Rechtslage verpflichtet uns dazu", sagte Körner. Für ihn ist die Krise allein mit Grenzmanagement nicht lösbar. "Wir müssen die Zusammenarbeit mit allen beteiligten Ländern vertiefen. Mit Libyen, das ein destabiles Land ist, geht das nur sehr langsam, aber auch dort gibt es Fortschritte. Das alleine wäre aber nicht genug. Auch mit Subsahara-Staaten ist eine engere Kooperation nötig", betonte Körner.

Vor einem Platzen des Flüchtlingsdeals mit der Türkei warnte er vehement: "Solange es möglich ist, die Rahmenbedingungen mit der Türkei einzuhalten, sollten wir das tun. Ich will mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, was ein geplatzter Deal für Folgen hätte", sagte er und setzte nach: "Wenn Erdoğan gewisse Grenzen überschreitet – etwa die Todesstrafe einführt – ist das Abkommen natürlich zu beenden."

Suche nach Plan B

Käme es dazu, würde Frontex innerhalb von fünf Tagen ein Kontingent von 4500 Einsatzkräften stellen, um die Westbalkan-Staaten sowie Bulgarien zu unterstützen.

Ein mögliches Scheitern des Abkommens mit der Türkei beschäftigt auch heimische Politiker. Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) besuchte am Donnerstag Albanien, um die Zusammenarbeit im Fall einer geöffneten Balkan-Route zu besprechen. Beispielsweise soll Österreich albanische Gebirgsjäger ausbilden.

Auch Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) bekräftigte in einem Interview mit dem Münchner Merkur, dass er kein Vertrauen in den Flüchtlingspakt mit der Türkei habe. Seitens der EU gehe es immer mehr in die Richtung eines Plan B, meinte Kurz.

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