Globalisierung als Kampfthema in Frankreichs Stichwahl

Marine Le Pen
Emmanuel Macron muss noch Überzeugungsarbeit leisten. Seine Rivalin Marine Le Pen verteufelt ihn als Verfechter der „brutalsten Globalisierung“. Im ersten Wahlgang hatten 55 Prozent für globalisierungskritische Kandidaten gestimmt.

Dass Emmanuel Macron im ersten Wahlgang mit seinen 24 Prozent die Nationalistin Marine Le Pen (sie kam auf 21,3 Prozent) übertraf, hat zwar bei allen EU-Befürwortern eine enorme Erleichterung ausgelöst, knapp darauf wurde man aber wieder von Sorgen heimgesucht – und zwar spätestens seit der Siegesrede, die Macron hielt.

Ein Überhang an zum Teil peinlichen Leerfloskeln in dieser Rede wirft die Frage auf: kann dieser, ein wenig windig wirkende Dauerlächler auch noch die vierzehn Tage bis zur Stichwahl am 7.Mai erfolgreich überstehen? Aber diese Bedenken bezüglich der Konsistenz des parteilosen Jungstars (Macron ist mit 39 Jahren der jüngste Präsidentschaftskandidat) teilten auch schon vor dem ersten Wahlgang etliche Beobachter in Paris mit Ausnahme der Meinungsforscher, die seit Monaten Macrons Erfolgskurve unbeirrt wiedergaben.

Insofern müsste man auch der Umfrage vertrauen, wonach 60 Prozent der Wähler des ersten Durchgangs in der Stichwahl für Macron stimmen wollen. Immerzu laut dieser noch am Wahlsonntag getätigten Umfrage kann Macron mit den Stimmen von fast 80 Prozent der Wähler des SP-Kandidaten Benoit Hamon rechnen (er kam auf 6,4 Prozent). Das gleiche gilt für 62 Prozent der Wähler des Linkstribuns Jean Luc Melenchon (der 19,6 Prozent errang) und für fast die Hälfte der Wähler des konservativen Francois Fillon (er blieb bei 20 Prozent hängen).

Fillon erklärte, angesichts der Gefahr Le Pen bliebe ihm „nichts anderes übrig“, als für Macron zu stimmen. Etliche weitere Spitzen der konservativen „Republikaner“ äußerten sich ebenfalls sofort zugunsten von Macron und ersparten dadurch dem bürgerlichen Lager das übliche Gezerre um ihre Haltung bei einer Stichwahl, in der sie nicht mehr vertreten sind.

Sozialisten vor Spaltung

Die Sozialisten – also ihr gescheiterter, weit links stehender Kandidat Hamon und erst recht der pragmatische Partei-Flügel um die SP-Regierung – stimmen natürlich auch für Macron. Noch-Präsident Francois Hollande wandte sich sogar eigens in einer kurzen

TV-Ansprache an die Nation: darin warnte er eindringlich vor Le Pen und erklärte, er werde für Macron stimmen. Nur der Linksaußen-Politiker Melenchon weigerte sich vorerst eine Wahlempfehlung abzugeben

Diese fast einmütige Unterstützung der Spitzen der beiden verbrauchten Traditionsparteien ist aber für Macron eine zweischneidige Angelegenheit. Im Falle der Sozialistischen Partei ist es überhaupt fraglich, ob sie in ihrer bisherigen Form als große Sammelpartei links von der Mitte überlebt. Ein Großteil des pragmatischen SP-Flügels dürfte sich der Bewegung von Macron anschließen.

Bei den Konservativen, die zum ersten Mal in ihrer Geschichte bei einer Stichwahl für das Präsidentenamt nicht vertreten sind, will man so schnell wie möglich das Kapitel des skandalbelasteten Fillon hinter sich bringen und hofft auf eine Revanche bei den Parlamentswahlen im Juni. Intern wird bei den „Republikanern“ eine Regierungs-Koalition mit den Kräften von Macron angedacht.

„Alle alten Seilschaften“

Genau daraus schöpft Marine Le Pen ihre Wahlkampfmunition: „Rund um Macron treffen sich wieder alle alten Seilschaften, die für die Situation verantwortlich sind, unter der unserer Landsleute leiden. Das ist die Rückkehr der alten Berühmtheiten. Ich würde sagen: na umso besser für uns“, höhnte die Nationalistin.

Bisher ist freilich dieser Vorwurf an Macron eher abgeglitten, weil er durch seinen Absprung aus der SP-Regierung im Vorjahr (er war Wirtschaftsminister) und die mehr als gewagte Gründung seiner eigenen Bewegung eine für Frankreich ungewöhnliche Risikobereitschaft bewiesen hat.

Auch schaffte Macron bisher die Gratwanderung zwischen der Aufnahme politisch unbeschriebener Persönlichkeiten aus der Zivilgesellschaft und einigen wenigen Politstars, die gemäß seinem Credo, sowohl von der SP als auch aus dem bürgerlichen Lager kommen – unter Zurückweisung allzu vieler altgedienter Überläufer („Wir sind kein Beherbergungsbetrieb“).

Auf der Verliererstraße

Die eigentliche Schlacht zwischen Marcon und Le Pen betrifft aber die sozialen Sorgen der zusammengerechnet 55 Prozent der Wähler, die im ersten Durchgang für mehr oder weniger radikale und globalisierungskritische Kandidaten gestimmt haben. Mit einer doppelt so hohen Arbeitslosenrate wie in Österreich und laufenden Fabriks-Absiedelungen in Billiglohn-Länder sehen allzu viele Franzosen ihr Land auf der Verliererstraße, auch wenn sich neuerdings ein leichter Aufschwung des Arbeitsmarkts angekündigt hat.

Zielsicher wetterte Marine Le Pen bei einem TV-Interview am Montag-Abend: „Macron vertritt die wildeste und brutalste Globalisierung. Er will den Franzosen ihren Sozialschutz rauben und Frankreich auflösen.“ Le Pens Wahlkampfchef, David Rachline, setzte nach: „Die EU, zumindest in ihrer jetzigen Form, und Macron stehen für einen entfesselten und nicht-loyalen Konkurrenzkampf, in dem Frankreich untergeht“.

Es wird Macron nicht leicht fallen, diesem in Frankreich weit verbreiteten und tief verwurzelten Pessimismus Paroli zu bieten.

Kommentare