Gipfeltreffen der "Herren" Xi und Ma
Das protokollarische Dilemma wurde weise gelöst: Um Unstimmigkeiten bei ihrem ersten, historischen Zusammentreffen am Samstag zu vermeiden, werden die beiden Präsidenten Xi Jinping (China) und Ma Ying-jeou (Taiwan) einander mit "Herr Xi" und "Herr Ma" ansprechen. Denn einen taiwanesischen Präsidenten darf es aus Sicht Pekings gar nicht geben. Die seit 1949 abtrünnige Insel, so die Perspektive der Volksrepublik, ist nach wie vor Teil von "einem China" – und Präsident kann deshalb nur einer sein: Chinas Staatschef Xi Jinping.
"Und das wird definitiv mehr sein als ein reiner Fototermin", glaubt Johannes Buckow. Wie der China-Experte und Mitarbeiter am Mercator Institut für China-Studien in Berlin dem KURIER schildert, verfolge man in Peking mit dem Treffen zwei Ziele. Das Kurzfristige: Vor den für Mitte Jänner angesetzten Wahlen in Taiwan, bei der die China-kritische Opposition einem klaren Wahlsieg entgegensteuert, will Peking der ihr nahestehenden Regierung in Taipeh offenbar indirekte Wahlhilfe leisten.
Annäherung
Doch diese Rechnung muss nicht aufgehen. "Ich glaube nicht, dass Ma Ying-jeou mit diesem Treffen für seine Partei, die Kuomintang, viele Punkte wird sammeln können", sagt Buckow. "Die Koumintang ist schwer angeschlagen. Und der Unmut der Bevölkerung über deren China-freundliche Politik hat sich bereits mehrmals in heftigen Protesten entladen."
Seit 2008 regiert Ma in Taiwan. Sieben Jahre, in denen die Insel eine massive Annäherung an den mächtigen Nachbarn China betrieb: Direktflüge zwischen dem Festland und der Insel wurden erlaubt, Handelsabkommen geschlossen, bilaterale Investitionsverträge forciert.
Was es allerdings nie gegeben hat, war ein Treffen auf hoher politischer Ebene zwischen den beiden Nachbarn. Denn bisher hatte Peking den Standpunkt vertreten: Eine solche Zusammenkunft würde die Regierung von Taiwan legitimieren.
Sorgen und Ängste
Doch in dem Maße, in dem die aus Sicht Pekings abtrünnige Insel näher an den roten Riesen heranrückte, wuchsen auch Sorgen und Ängste der Mehrheit der 23 Millionen Bewohner Taiwans. Man will weder wirtschaftlich noch politisch vom riesigen Nachbarn erdrückt werden – und vor allem eines ganz und gar nicht: eine Wiedervereinigung mit China. Genau das aber ist das erklärte Fernziel Pekings, auch wenn man damit keine Eile an den Tag legt.
Proteste hoben deshalb am Mittwoch in Taiwans Hauptstadt Taipeh sofort an, sobald die Nachricht über das bevorstehende Treffen Xi-Ma bekannt wurde. Hunderte Menschen versammelten sich spontan vor dem Parlament und warnten vor einem "Ausverkauf an die Kommunisten".
Pekings Langzeitvision
Peking aber liegt viel daran, seine Beziehungen zu Taiwan zu vertiefen. Und dies sei, so meint China-Experte Johannes Buckow, die erwünschte Langzeitfolge des historischen chinesisch-taiwanesischen Treffens: "Man folgt der Langzeitvision, eine weitere Annäherung voranzutreiben." Und zwar am besten mit der China-freundlicheren Partei Kuomintang.
Den Zeitpunkt für ein wahlhelfendes Treffen aber dürfte China recht spät gewählt haben. Denn schon in wenigen Monaten könnte Taiwan von einer Präsidentin Tsai Ing-wen und ihrer "Fortschrittspartei" (DPP) regiert werden. Diese aber will nicht mehr China-Einfluss, sondern mehr Selbstbestimmung. "Die DPP wurde in Taiwan gegründet", sagt Buckow, "ihre Wähler sehen sich selbst nicht als Chinesen, sie haben eine starke taiwanesische Identität."
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