Giftgas: Moskau glaubt UNO nicht
Der Streit darüber, was der Bericht der UNO-Chemiewaffenexperten im Detail aussagt, zieht weitere Kreise. Während sich nach genauerer Analyse des Dokuments die Hinweise darauf verdichten, dass am 21. April mindestens zwei mit dem Kampfgas Sarin bestückte Geschoße von einer Basis der Republikanischen Garden abgefeuert wurden, behauptet die Syrische Führung weiter steif und fest, Rebellen würden hinter dem C-Waffen-Einsatz in Damaskus stecken. Und Rückendeckung erhält die syrische Führung dabei weiterhin von Russland. Das, während sich Moskau nach seiner vorherigen Kritik an dem Bericht nun auf die Inspekteure selbst einschießt.
Bei einem Besuch in Damaskus bezeichnete Russlands Vize-Außenminister Sergej Rjabkow das Team um Ake Sellström als „politisiert, voreingenommen und einseitig“. Drei weitere angebliche C-Waffeneinsätze seien nicht untersucht worden. Den Bericht nannte er „selektiv und unvollständig“. Syriens Führung habe Russland zudem Material übergeben, welches die Schuld der Rebellen belegen soll. Dieses würde geprüft. Rjabkow traf auch Präsident Baschar al-Assad.
Entsprechend stocken die Verhandlungen in der UNO über eine Resolution zu Syrien, um die russisch-amerikanische Vereinbarung zu untermauern, Syrien müsse sein Chemiewaffenarsenal unter internationale Kontrolle stellen mit dem Ziel, es zu vernichten. Während Frankreich, Großbritannien und die USA einen Beschluss erreichen wollen, der auch militärische Drohungen enthält, legt sich Russland dagegen quer.
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon kündigte indes eine baldige Rückkehr der UN-Experten nach Syrien an – sobald dies möglich sei. Ziel: Ein Abschluss der Untersuchungen auch anderer möglicher C-Waffeneinsätze sowie die Erarbeitung eines Abschlussberichts.
Deutschland hat Syrien zwischen 2002 und 2006 Chemikalien geliefert, die auch zum Bau von Chemiewaffen verwendet werden können. Dies geht aus einer Antwort der deutschen Regierung auf eine Anfrage der Fraktion der Partei Die Linke hervor, die am Mittwoch veröffentlicht wurde. Nach Regierungsangaben wurden in den Jahren 2002 und 2003 insgesamt fast 40 Tonnen geliefert und in den Jahren 2005 und 2006 mehr als 97 Tonnen. Das Regime von Syriens Machthaber Bashar al-Assad steht im Verdacht, bei einem Giftgas-Einsatz im August mehrere hundert Menschen getötet zu haben.
Bei den Chemikalien handelt es sich um Fluorwasserstoff, Ammoniumhydrogendifluorid und Natriumflorid sowie Zubereitungen mit Kalium- oder Natriumcyanid. Dies sind sogenannte Dual-Use-Güter, die sowohl für zivile als auch militärische Zwecke verwendet werden können. Nach Angaben der Bundesregierung erklärte Syrien damals, die Chemikalien zivil nutzen zu wollen. Die Lieferungen erfolgten in der Regierungszeit der Koalition aus Sozialdemokraten und Grünen beziehungsweise in den Anfangsjahren der Großen Koalition aus Christdemokraten und SPD.
Die Ausfuhrgenehmigung sei erst nach "sorgfältiger Prüfung aller eventueller Risiken, einschließlich von Missbrauchs- und Umleitungsgefahren im Hinblick auf mögliche Verwendungen in Zusammenhang mit Chemiewaffen" erteilt worden, heißt es in der Antwort des deutschen Wirtschaftsministeriums. "In allen diesen Fällen wurde die geplante zivile Verwendung der Güter plausibel dargestellt."
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