Gier, Tabak-Lobbyisten und Kartenleger
Neelie Kroes war ein Star in Brüssel, nun steht die ehemalige EU-Kommissarin (2004–2014) im Mittelpunkt der Enthüllungen über geheime Briefkastenfirmen in der Karibik, wie die Süddeutsche Zeitung aufdeckte. Das trifft die Kommission, die ohnehin um ihr Ansehen ringt, schwer.
Ein anderer delikater Fall ist José Manuel Barroso, von 2004 bis 2014 Präsident der EU-Kommission. Seit Sommer ist er Lobbyist der Investmentbank Goldman Sachs. Ausgerechnet der Mann, der ab 2008 mit der europäischen Bankenkrise umgehen musste, bringt nun sein ganzes Wissen und seine Erfahrung in eine Bank ein, die maßgeblich zur weltweiten Krise beigetragen hat. Das ist nur mehr "geschmacklos", kommentierte gestern die liberale dänische Tageszeitung Politiken. Moralisches Problem Völlig grotesk wird es, wenn Barroso nun auch eine frühe Pension von der EU fordert, 7000 Euro monatlich, heißt es. "Das moralische Problem ist viel größer als die Höhe des Betrags, die Barroso zu seinem Honorar von Goldman Sachs dazurechnen kann", empört sich in ein ehemaliger Kollege des portugiesischen Konservativen. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat Barroso den Status eines Ex-Präsidenten entzogen, er wird wie ein gewöhnlicher Lobbyist behandelt. Seine EU-Pensionsansprüche werden geprüft.
Heikel ist die Causa Kroes, die als Direktorin einer Firma im jüngsten Steuerskandal "Bahamas Leaks" auftaucht. Juncker verlangt Offenlegung von Kroes, aus rechtlichen Gründen werden derzeit aber keine Erklärungen dazu abgegeben. Eines muss Kroes nicht befürchten, die Streichung ihrer Pension. Das Mitglied verschiedener Aufsichtsräte hat eine EU-Rente nie beantragt. Für die Kommission folgt aus den jüngsten Fällen (Barrosos Wechsel ist nicht illegal) nur eines: Verhaltenskodex und Lobbying-Register für alle EU-Institutionen werden verschärft. Jeder Lobbyist, der einen EU-Beamten oder Europa-Abgeordneten trifft, muss eingetragen sein.
Ungenügende Berichte
Die Geschichte der Kommission ist auch eine Geschichte der Skandale, 1999 musste das Kollegium zurücktreten. Auslöser war die Affäre Édith Cresson. Die ehemalige französische Premierministerin hat über Jahre ihrem Zahnarzt und Partner hoch dotierte Expertenverträge verschafft. Der Mediziner, der Cresson privat Karten gelegt und gelesen hat, bekam für inhaltlich ungenügende Berichte 120.000 Euro Honorar, EU-Steuergelder. Prüfer monierten jahrelang Schwindeleien und Missbrauch in der Kommission, doch nichts passierte. Es war das Europäische Parlament, dass der Kommission die Entlastung des jährlichen Budgetberichtes versagte, darauf kam es zum kollektiven Rücktritt. 2006 stellte der EuGH fest, dass Cresson gegen die Bestimmungen der EU verstoßen hat. Ein Mysterium ist der Fall des Ex-Gesundheitskommissars John Dalli. Ein Bekannter von Dalli wurde angeblich von einem Tabak-Lobbyisten bestochen. Der Kommissar habe davon gewusst, aber nichts unternommen. Der Lobbyist wollte für 60 Millionen Euro eine Änderung der Tabak-Richtlinie bewirken. Der Malteker trat 2012 zurück .
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