Gewerkschaften gegen Macrons „Höllentempo“

Gewerkschaften gegen Macrons „Höllentempo“
Ist das der Wendepunkt für Emmanuel Macron? „Bis hierher und nicht weiter“ – sagen die Gewerkschaften.

„Bis hierher und nicht weiter“ – gemäß diesem Motto brachten Frankreichs Gewerkschaften und Linksopposition zehntausende ihrer Anhänger, vornehmlich aus dem öffentlichen Dienst, bei 180 Demonstrationen landesweit, am Donnerstag auf die Beine. Bahn und Flugverkehr wurden durch Streiks vielfach beeinträchtigt. Ebenfalls mobilisierte Schüler und Studenten lieferten der Polizei stellenweise Straßenschlachten.

Doch das wird wohl nicht reichen, um die Sparreformen und wirtschaftlichen Liberalisierungsmaßnahmen zu stoppen, die der französische Staatschef seit seinem Amtsantritt im vergangenen Mai „in einem „ Höllentempo durchzieht“, wie das Massenblatt Journal du Dimanche feststellt.

Tatsächlich gönnt Macron seinen Widersachern nicht die geringste Verschnaufpause. Allein bisher wurden, unter anderem, abgehackt: eine Lockerung der Arbeitsmarkt-Regeln, die Teil-Abschaffung der Vermögenssteuer, eine verringerte Einheitssteuer für Kapitalerträge, die Abschaffung der Arbeitnehmerbeiträge für Kranken- und Arbeitslosenversicherung und ihre Umlegung eine allgemeine Sozialsteuer, Kürzungen für finanzielle Aufwendungen der Parlamentarier, Verschärfung des Asylrechts, Strafen gegen sexistische Belästigung von Frauen.

In den nächsten acht Wochen werden sieben neue Gesetze vorgelegt, darunter: eine Reform der Arbeitslosenversicherung, die einerseits strengere Kontrollen der Bezieher und andererseits eine Ausdehnung der Versicherung auf Selbständige vorsieht. Ein Gesetz um Steuerbetrüger mit Namensangabe öffentlich an den Pranger zu stellen. Und eine Parlamentsreform, die die Zahl der Abgeordneten verringert und die Zahl der zulässigen Änderungsanträge während Parlamentsdebatten begrenzt – wogegen alle Oppositionsparteien Sturm laufen.

Gefährliche Drohung

Der härteste Brocken ist aber die geplante Abschaffung des Sonderstatus der Eisenbahner (früherer Pensionsantritt und Gratisfahrten für die Familie) bei künftigen Anstellungen und die Umwandlung der Staatsbahn SNCF in eine „Anonyme Gesellschaft“ unter Staatskontrolle. Die Gewerkschaften sehen darin eine Schritt Richtung Privatisierung. Die Regierung hält dies für unumgänglich, um die SNCF für die Öffnung des Bahnverkehrs für konkurrierende Anbieter zu rüsten, der in der EU ab 2019 definitiv vorgeschrieben ist (bisher hatte Frankreich nur den Güterverkehr geöffnet).

Die SNCF ist noch immer für viele Franzosen ein symbolisches Urgestein ihres Staatsverständnisses. Die Nahverkehrs-Verbindungen in größeren Einzugsgebieten sind zwar überlastet und störanfällig, weshalb sie mit chronischen Verspätungen die Pendler fürchterlich nerven. Aber das Netz der Hochgeschwindigkeitszüge (TGV), das gegenüber den übrigen Linien favorisiert wurde, funktioniert vergleichsweise gut mit billigen Preisangeboten.

Kippt die Stimmung?

Für die Gewerkschaften ist die SNCF ihre kampfträchtigste Bastion, von der aus sie durch wochenlange Streiks 1995 eine bürgerliche Regierung zu Fall brachten. Jetzt haben sie sich etwas Besonderes ausgedacht: ab 4.April wollen sie drei Monate hindurch an jeweils zwei von fünf Tagen streiken. Kommt es dazu, wäre ein Verkehrschaos die Folge. Dann könnte die Stimmung gegen Macron kippen, nachdem bereits in den letzten Wochen die Zahl der Unzufriedenen steil angestiegen ist. Was sich in unerwartet massiven Rentner-Demos (wegen Steuer-Erhöhungen) und Wahlniederlagen der Partei des Präsidenten äußerte.

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