Gewaltspirale in Nahost: Raketenhagel auf Israel, 22 Tote in Gaza

Luftangriff auf Gaza
Israel reagierte mit Luftangriffen auf Attacken der Hamas. Unter den Toten in Gaza sollen neun Kinder sein.

Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern nimmt immer gefährlichere Ausmaße an. Die israelische Armee hat auch in der Nacht auf Dienstag in Reaktion auf massiven Raketenbeschuss Luftangriffe auf den Gazastreifen durchgeführt. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza kamen bei der jüngsten Eskalation der Gewalt 22 Palästinenser ums Leben, darunter neun Kinder. In Ost-Jerusalem kam es erneut zu Auseinandersetzungen mit Dutzenden Verletzten.

Raketen und Luftangriffe: Nahost-Konflikt eskaliert

Mehr als 200 Raketen seien aus dem Gazastreifen auf Israel abgefeuert worden, sagte ein israelischer Armeesprecher am Dienstag in der Früh. Die Erfolgsquote des Abfangsystems Eisenkuppel liege bei über 90 Prozent. Rund ein Drittel aller abgefeuerten Raketen sei bereits im Gazastreifen niedergegangen. Dies sei außergewöhnlich viel und habe wahrscheinlich dort auch Opfer zur Folge. Wie das Militär weiter mitteilte, wurde ein Wohngebäude in der nördlich des Gazastreifens gelegenen Stadt Ashkelon von einer Rakete getroffen. Rettungskräften zufolge wurden sechs Menschen verletzt.

Gewaltspirale in Nahost: Raketenhagel auf Israel, 22 Tote in Gaza

Rakete aus dem Gazastreifen wird in Richtung Israel gefeuert

130 Fliegerangriffe

Nach Angaben des Sprechers flog das Militär bisher rund 130 Angriffe auf Ziele im Gazastreifen. 15 Mitglieder der Hamas und des Islamischen Jihad seien nach derzeitigem Stand getötet worden. Beschossen worden seien Einrichtungen zur Produktion von Raketen, Lager- und Trainingseinrichtungen sowie militärische Stellungen. Zudem seien zwei Tunnel attackiert worden, die unterschiedlich weit fertiggestellt gewesen seien. Man befinde sich in einer frühen Phase des Gegenangriffs, sagte der Sprecher.

Netanjahu droht

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte den militanten Palästinenserorganisationen mit einer harten Reaktion auf den Raketenbeschuss gedroht. Die EU und die USA verurteilten die jüngsten Raketenangriffe aus dem Gazastreifen und forderten ein sofortiges Ende der Gewalt in dem abgeschotteten Küstengebiet und im von Israel besetzten Westjordanland. "Auch wenn alle Seiten Schritte zur Deeskalation unternehmen (müssen), hat Israel natürlich das Recht, sein Volk und Territorium vor diesen Angriffen zu schützen", betonte US-Außenminister Antony Blinken.

Nach schweren Zusammenstößen hatten die im Gazastreifen herrschenden Islamisten der Hamas per Ultimatum den Abzug aller Polizisten und Siedler vom Tempelberg (Al-Haram al-Scharif/Das edle Heiligtum) sowie aus dem Viertel Sheikh Jarrah in Ost-Jerusalem gefordert. Als Israel dem nicht nachkam, begann am Montagabend kurz nach 18 Uhr Ortszeit der Beschuss. Schon vor Mitternacht sprach das Militär von mehr als 150 abgefeuerten Raketen, Dutzende davon habe die Raketenabwehr Eisenkuppel abgefangen. Bis Dienstag in der Früh ertönten immer wieder Warnsirenen, vor allem in der Peripherie des Gazastreifens und in der Stadt Ashkelon. Tel Aviv begann damit, öffentliche Schutzräume bereitzustellen.

Hamas: "Botschaft" an Israel

Ein Hamas-Sprecher sagte, die Raketen seien eine "Botschaft" an den Feind Israel und eine "Reaktion auf seine Verbrechen und Aggression gegen die heilige Stadt". Zu den Angriffen bekannte sich auch die Gruppe Islamischer Jihad.

In Jerusalem wurde am Montagabend nach Militärangaben erstmals seit dem Sommer 2014 Raketenalarm ausgelöst. Der Armee zufolge wurden sechs Raketen auch in Richtung der Stadt abgeschossen. Zu Schaden kam dort ersten Berichten zufolge niemand. In der Stadt begingen viele Israelis da den Jerusalem-Tag. Das Land feiert damit die Eroberung des arabischen Ostteils von Jerusalem einschließlich der Altstadt während des Sechstagekriegs 1967.

Jerusalem-Tag

"Die Terrororganisationen in Gaza haben am Abend des Jerusalem-Tags eine rote Linie überschritten und uns in den Vororten Jerusalems mit Raketen angegriffen", sagte Netanjahu bei einer Ansprache in der Stadt. "Wir werden keine Angriffe auf unser Gebiet, unsere Hauptstadt, unsere Bürger und Soldaten dulden. Wer uns angreift, wird einen hohen Preis bezahlen." Die israelischen Bürger müssten sich darauf einstellen, dass der gegenwärtige Konflikt länger dauern könnte.

Auf dem Tempelberg in Jerusalem lieferten sich Palästinenser und die israelische Polizei am Montagabend neue Auseinandersetzungen. Dutzende Menschen seien verletzt worden, berichteten Augenzeugen. Die Polizei setzte Blendgranaten und Gummigeschoße ein, um die Menge auseinanderzutreiben. Auch im von Israel besetzten Westjordanland kam es zu neuen Zusammenstößen. Augenzeugen berichteten über gewaltsame Auseinandersetzungen unter anderem in Ramallah, Nablus und Hebron, bei denen es mehrere Verletzte gegeben habe.

In der türkischen Metropole Istanbul gingen indes mehrere tausend Menschen auf die Straße, um gegen Israel zu protestieren. Bei der Kundgebung vor dem israelischen Konsulat wurden palästinensische und türkische Flaggen geschwenkt, anti-israelische Parolen gerufen und Pyrotechnik gezündet. Auf Schildern waren Sätze zu lesen wie "Al-Quds gehört den Muslimen". Al Quds ist der arabische Name für Jerusalem. Die Demonstation fand trotz einer nächtlichen Ausgangssperre statt.

Heilige Stätte

Der Tempelberg in Jerusalem mit dem Felsendom und der Al-Aqsa-Moschee ist für Juden wie Muslime von herausragender Bedeutung. Es ist die drittheiligste Stätte im Islam. Zugleich standen dort früher zwei jüdische Tempel, von denen der letzte im Jahr 70 von den Römern zerstört wurde. Die Klagemauer ist ein Überrest jenes zerstörten Tempels und die heiligste Stätte der Juden.

Die Spannungen im Westjordanland und im arabisch geprägten Osten Jerusalems hatten sich seit Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan verschärft. Viele Palästinenser sind zornig, weil die Polizei Bereiche der Altstadt abgesperrt hatte, um Versammlungen zu verhindern. Zudem drohen einigen palästinensischen Familien im Stadtteil Scheich Jarrah Wohnungsräumungen durch israelische Behörden. In den vergangenen Nächten gab es jeweils Konfrontationen.

Seit der gewaltsamen Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen im Jahre 2007 haben sich Israel und die radikale Palästinenserorganisation drei Kriege geliefert. Israel und Ägypten halten das Gebiet unter Blockade und begründen dies mit Sicherheitserwägungen. Rund zwei Millionen Menschen leben dort unter miserablen Bedingungen. Im August 2020 verkündete die Hamas nach Vermittlung Katars eine Waffenruhe mit Israel. Aber auch danach gab es immer wieder Verstöße. Die Hamas wird von Israel, den USA und der EU als Terrororganisation eingestuft. Sie hat die Zerstörung Israels zu ihrem Ziel erklärt.

Ramadan, Jerusalem-Tag und Enteignungen: Gewalt in Israel eskaliert

UNO ist "tief besorgt"

UN-Generalsekretär António Guterres warnte vor einer Eskalationsspirale, verurteilte laut einem Sprecher den Abschuss von Raketen aus dem Gazastreifen „aufs Schärfste“ und forderte von Israelis und Palästinensern „maximale Zurückhaltung“. Die UN betonten erneut ihre „tiefe Besorgnis“ über die mögliche Vertreibung von palästinensischen Familien aus einem Stadttteil im „besetzten Ost-Jerusalem“.

Eine Sitzung des UN-Sicherheitsrates endete Diplomaten zufolge aufgrund des Widerstands der USA ohne eine gemeinsame Stellungnahme, die die Gewalt verurteilt und Besorgnis über mögliche Vertreibungen ausgedrückt hätte.

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