Syrien: Wenn kleine Verletzungen tödlich werden

Syrien: Wenn kleine Verletzungen tödlich werden
Seit dem Ausbruch des Konflikts versucht Ärzte ohne Grenzen die Bevölkerung mit dem Nötigsten zu versorgen.

Der Bürgerkrieg in Syrien forderte bereits viele Opfer. Wegen der Kampfhandlungen ist im Kriegszustand die normale Gesundheitsversorgung im Land zusammengebrochen. Die Bevölkerung hat zum Teil keinen Zugang zu Medikamenten und medizinischen Einrichtungen, gewöhnliche Leiden können dadurch zur lebensbedrohlichen Gefahr mutieren.

Die Organisation Ärzte ohne Grenzen (Médecins Sans Frontières/MSF) versucht zu versorgen und betreibt im Land derzeit sechs Krankenhäuser, vier Gesundheitszentren und mehrere mobile Kliniken. Die Kampfhandlungen erschweren allerdings die medizinische Versorgung in den meisten Teilen des Landes.

Syrien: Wenn kleine Verletzungen tödlich werden
Außerdem sind durch den Bürgerkrieg ganz gewöhnliche Gesundheitsprobleme in den Hintergrund gerückt. Steve Rubin, ein Chirurg für Ärzte ohne Grenzen, erklärt die Situation in einem Video (siehe unten) von Ärzte ohne Grenzen so: „Vor diesem Krieg gab es für die Menschen in Syrien ein gutes Gesundheitssystem. Viele Syrer wollen diese gute Versorgung wieder haben. Aber in dieser Region konzentrieren sich jetzt außer uns alle medizinischen Einrichtungen auf Kriegsverletzungen. Deshalb kommt die Bevölkerung zu uns, das ist ihre einzige Möglichkeit. (...) Unser Operationssaal ist ein aufblasbares Zelt“, erzählt Rubin.

„Wir haben zwar nicht alles was wir brauchen, aber wir geben unser Bestes. Wir tun was wir können, mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen… Wir versuchen, so viele Leben wie möglich zu retten.“

"Wir bringen auch neues Leben in die Welt. Niemand sonst in der näheren Umgebung hat eine Geburtenstation. Es gibt Hebammen in der Region, aber kein Spital ist dafür gerüstet." Im Kriegszustand sind alle Lebenslagen betroffen, eingeschränkt, in Gefahr. Gewöhnliche Krankheiten können lebensgefährlich werden, weil die Versorgung nicht gewährleistet werden kann.

Syrien: Wenn kleine Verletzungen tödlich werden
Eine 36-jährige Patientin beschreibt die Situation so: „Das Problem ist, es gibt kein normales Leben. Es gibt keine Medikamente, nirgends kann man hingehen, es gibt keine Krankenhäuser. Viele meiner Verwandten wurden krank – zwei Onkel, meine Mutter, und andere. Sie hatten alle Schwierigkeiten, eine Behandlung zu finden. Medikamente sind hier zu einem raren Gut geworden.“

Die Organisation Ärzte ohne Grenzen hat seit Beginn des Konflikts bis Ende Juni 2013 mehr als 55.000 medizinische Behandlungen und 2800 chirurgische Eingriffe durchgeführt sowie 1000 Entbindungen begleitet. Außerdem wurden mehr als 140.000 syrische Flüchtlinge in Lagern in benachbarten Ländern von Mitarbeitern von Ärzte ohne Grenzen medizinisch behandelt.

Die Organisation Ärzte ohne Grenzen hat im vergangenen Jahr einen neuen Spendenrekord erzielt. Mit insgesamt fast 21,2 Millionen Euro konnte die österreichische Sektion Projekte in 24 Ländern unterstützen. Anlässlich der Präsentation des Jahresberichtes 2012 zeigte sich Präsident Reinhard Dörflinger im Mai jedoch äußerst besorgt über die derzeitige humanitäre Lage im Bürgerkriegsland Syrien. "Wir fordern die Staaten auf, die Nothilfe dringend auszuweiten", appellierte Dörflinger am Donnerstag in Wien.

Die Situation in Syrien - vor allem jene der Flüchtlinge - sei von "alltäglicher und maßloser Gewalt" gekennzeichnet, so Dörflinger. Das einst relativ gut funktionierende Gesundheitssystem kollabiert angesichts des mittlerweile seit über zwei Jahren tobenden Aufstandes gegen Präsident Bashar al-Assad. Die elementarsten Bedürfnisse von rund 1,5 Millionen Menschen könnten seither nicht mehr befriedigt werden, erklärte der Allgemeinmediziner. Ärzte ohne Grenzen hat daher sein Engagement in Syrien seit Mitte 2012 "stark ausgebaut".

Neben Syrien war Ärzte ohne Grenzen Österreich aber auch in Haiti (1,2 Millionen Euro), im Tschad und Niger (je 1,6 Millionen Euro), in Swasiland (1,3 Millionen Euro) oder im Südsudan (1,1 Millionen Euro) tätig. 114 Mitarbeiter, davon rund 50 Prozent medizinisches Personal, war im vergangenen Jahr mit der Organisation im Auslandseinsatz - in 42 verschiedenen Ländern. Insgesamt leisteten die Einsatzteams von Ärzte ohne Grenzen International medizinische Nothilfe für rund neun Millionen Menschen in 72 Ländern.

2012 spendeten rund 250.000 Privatpersonen und Firmen 21,2 Millionen Euro, immerhin fast acht Prozent mehr als im Jahr zuvor. Dörflinger wertete die Steigerung trotz der Wirtschaftskrise als "Zeichen des Vertrauens in unsere Arbeit". 74 Prozent der Einnahmen (17,8 Millionen Euro) flossen direkt in medizinische und humanitäre Nothilfe, der Rest in Vorbereitung und Unterstützung von Hilfseinsätzen, Bewusstseinsarbeit und Verwaltungsaufwand.

Zwei hochrangige UN-Vertreter sind am Mittwoch in Damaskus eingetroffen, um Berichten über den Einsatz von Chemiewaffen im syrischen Bürgerkrieg nachzugehen. Der schwedische Wissenschafter Ake Sellström und die Hohe Repräsentantin für Abrüstungsfragen, die Deutsche Angela Kane, fuhren zunächst in ein Hotel in der syrischen Hauptstadt, wie ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Sie wollen bei Gesprächen mit Vertretern der Regierung von Staatschef Bashar al-Assad erwirken, dass UN-Experten Zugang zu den Gebieten erhalten, wo mutmaßlich Chemiewaffen eingesetzt wurden.

Die UNO hatte am Dienstag mitgeteilt, sie prüfe mittlerweile 13 Berichte zu mutmaßlichen Angriffen mit Chemiewaffen in Syrien. Damaskus verlangt, die UN-Kontrolleure sollten sich auf einen Vorfall im März in Khan al-Assal in der Nähe von Aleppo konzentrieren, wo die Rebellen nach Darstellung der syrischen Führung und auch des russischen UN-Botschafters Witali Tschurkin Nervengas einsetzten. Frankreich und Großbritannien werfen den syrischen Regierungstruppen hingegen vor, im Dezember 2012 in Khan al-Assal sowie in Homs Chemiewaffen eingesetzt zu haben.

Die UNO fordert freien Zugang zu den betroffenen Regionen, um Zeugenaussagen und Beweismittel sammeln zu können. Der syrische UN-Botschafter Bashar Jaafari hatte jedoch im Zusammenhang mit der vor zwei Wochen an Sellström und Kane ergangenen Einladung erklärt, seine Regierung habe ihre Ansicht über den Umfang und das Ziel einer UN-Mission nicht geändert.

Oppositionschef wirbt für Waffenlieferungen

Der neue Chef der oppositionellen Syrischen Nationalen Koalition, Ahmed Jarba, hat indes am Dienstagabend in Paris für die Lieferung von Waffen an die Aufständischen geworben. "Wir bitten Frankreich um absolute politische Unterstützung, um diplomatische Unterstützung, um humanitäre Hilfe und um Militärhilfe", sagte Jarba nach einem Zusammentreffen mit französischen Abgeordneten vor Journalisten. Die syrische Opposition sei "noch nie so geeint wie heute" gewesen.

"Wir arbeiten mit unseren europäischen und amerikanischen Freunden daran, dass sie uns technische, medizinische und humanitäre Hilfe gewähren", ergänzte General Selim Idriss, der Chef der Freien Syrischen Armee, der mit Jarba gemeinsam nach Paris kam. "Und wir hoffen auch auf Hilfe in Form von Waffen und Munition."

Jarba wird am Mittwochnachmittag in Paris vom französischen Präsidenten Francois Hollande empfangen. Der von Saudi-Arabien unterstützte Stammesführer, der vor zwei Wochen an die Spitze der Koalition gewählt worden war, erklärte das Einwerben von Waffen für den Kampf gegen die syrische Regierung zu seiner Priorität. Auf französischer Seite wurde hingegen im Vorfeld die politische Dimension des Treffens in den Vordergrund gerückt.

Seit Beginn des Aufstands gegen Staatschef Bashar al-Assad im März 2011 wurden insgesamt 100.000 Menschen in Syrien getötet.

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