"Ich habe schwere Schuld auf mich geladen": Solingen-Attentäter gesteht

Mit gesenktem Kopf präsentierte sich der Angeklagte den Medien.
Zusammenfassung
- Angeklagter Issa al H. gesteht Messerangriff in Solingen mit drei Toten.
- Prozess gegen syrischen IS-Jihadisten wegen dreifachen Mordes und zehnfachen versuchten Mordes.
- Verhandlung im Hochsicherheitstrakt; zwölf Nebenkläger, darunter Angehörige der Opfer.
Im Strafprozess um den mutmaßlich islamistischen Terroranschlag von Solingen mit drei Toten hat der Angeklagte die Tat gestanden. In einer Erklärung, die seine Verteidiger für ihn abgaben, räumte der Syrer Issa al H. den Messerangriff ein, bei dem drei Menschen starben. "Ich habe schwere Schuld auf mich geladen. Ich bin bereit, das Urteil entgegenzunehmen." Weiter ließ er verlesen: "Ich habe Unschuldige getötet, keine Ungläubigen."
Angeklagter soll IS-Terrorist sein
Der Strafprozess gegen den Syrer hat neun Monate nach der blutigen Messerattacke mit drei Toten auf dem Solinger Stadtfest in Düsseldorf begonnen. Die deutsche Bundesanwaltschaft wirft dem Angeklagten dreifachen Mord und zehnfachen versuchten Mord vor. Außerdem soll er IS-Terrorist sein und wenige Stunden vor der Tat am Abend des 23. August 2024 dem sogenannten Islamischen Staat in Videos die Treue geschworen haben.
Seine völlig überraschten Opfer habe er mit einem Messer meist von hinten attackiert und mit einem gezielten Stich in den Hals verletzt. Mehrfach habe er dabei "Allahu akbar" gerufen. Erst das letzte Opfer habe Widerstand geleistet, ihn getreten und abgewehrt. Der Angeklagte betrat den Gerichtssaal bekleidet mit einem blauen T-Shirt und hielt den Kopf auf der Anklagebank überwiegend gesenkt.

Krankenwagen am Tatort in Solingen am 23. August 2024.
Jihadisten des IS sollen den Attentäter angeleitet haben
Er habe in islamistisch-jihadistischen Foren gezielt Kontakt zum IS gesucht, sagte ein Vertreter der Bundesanwaltschaft kurz vor Beginn des Prozesses. "Ideologische Operateure" des IS hätten ihn dann - auch bei der Auswahl der Tatwaffe - angeleitet. Der Angeklagte betrat den Gerichtssaal bekleidet mit einem blauen T-Shirt und hielt den Kopf auf der Anklagebank überwiegend gesenkt.
Getötete palästinensische Kinder bewegten den Attentäter
Der psychiatrische Gutachter berichtete, ihm habe der Syrer erzählt, dass ihn Bilder des Gaza-Konflikts von getöteten palästinensischen Kindern sehr bewegt hätten. Er habe diese Bilder auf seinem Telegram-Kanal weiterverbreitet und sei daraufhin von einem Unbekannten angeschrieben worden, der ihn aufgefordert habe, einen Anschlag in Deutschland zu begehen. Die Deutschen seien mitverantwortlich. Dieser Mann habe ihm das Gehirn gewaschen, er sei hereingelegt worden und letztlich selbst ein Opfer.
Im Gegensatz zur Anklage führte der Psychiater aus, Issa al H. habe sich selbst nicht als streng religiös oder salafistisch bezeichnet. Er rauche, ziehe Actionfilme der Koranlektüre vor und habe schon manches Freitagsgebet verschlafen. Deutschland sei für ihn ein schönes Land. "Hier kann man ein Leben führen, wie man es möchte", habe er gesagt. Er wäre nicht nach Deutschland geflüchtet, wenn er die Menschen hier als Ungläubige abgelehnt hätte. Nur Freunde habe er hier nicht gefunden.
Bei der Tat habe er erstmals in seinem Leben unter einer Wahrnehmungsstörung gestanden und auf der Bühne die Leichen palästinensischer Kinder gesehen, sagte der Psychiater weiter. In der Vorstellung des Angeklagten habe ein israelischer Polizist dazu gelacht - diesen habe er attackiert und sei dann in einen Wald geflüchtet. Am nächsten Tag habe er sich einer Polizeistreife gestellt.
Gegenüber dem Psychiater soll der Angeklagte die Tat bagatellisiert haben
Wenn es die Kinder nicht gegeben hätte und die religiöse Indoktrinierung, hätte er es nicht getan, habe der Angeklagte dem Psychiater gesagt. An weitere Tote und Verletzte könne er sich nicht erinnern. Der Angeklagte habe die Tat ihm gegenüber als Dummheit bagatellisiert, die er begangen habe, er sei hereingelegt worden.
Seine Zeit in Syrien mit sieben Geschwistern sei vom Bürgerkrieg geprägt gewesen. Er sei mit seiner Familie vertrieben worden, habe die Schule nur bis zur sechsten oder siebenten Klasse besucht. Er sei ein schwacher Schüler gewesen, habe lieber Fußball gespielt. Über die Türkei und Bulgarien sei er für 6.800 Euro, die er an Schlepper gezahlt habe, nach Deutschland gekommen, sagte der Psychiater.
Prozess im Hochsicherheitstrakt
Der Prozess findet im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts Düsseldorf statt. Sowohl Verletzte als auch Angehörige von Todesopfern des Anschlags treten in dem Prozess als Nebenkläger auf. Insgesamt sind es zwölf Nebenkläger. Das Düsseldorfer Oberlandesgericht hat bis zum 24. September 22 Verhandlungstage angesetzt.
Der Anschlag hatte die politische Diskussion um Abschiebungen, das Dublin-System und die innere Sicherheit in Deutschland befeuert. Sicherheitspakete wurden geschnürt und verabschiedet. Ein Untersuchungsausschuss im Düsseldorfer Landtag befasst sich derzeit unter anderem mit der Frage, warum die Abschiebung des späteren mutmaßlichen Attentäters scheiterte.
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