Geehrt – und sehr verärgert: Macron bei Joe Biden

Von Simone Weiler
Emmanuel Macron eilt sein Ruf voraus, ein Mann der offenen Worte zu sein. Diesen pflegte Frankreichs Präsident nun auch bei seinem Staatsbesuch in den USA. Noch vor der ersten Zusammenkunft des Ehepaars Emmanuel und Brigitte Macron am Mittwochabend mit US-Präsident Joe Biden und Ehefrau Jill in einem italienischen Restaurant in Washington machte der Franzose seinem Ärger über das von den USA beschlossene Klimagesetz „Inflation Reduction Act“ (IRA) Luft. Es handele sich um eine „super aggressive Initiative“, sagte Macron vor Abgeordneten des US-Kongresses – und um „Entscheidungen, die den Westen zersplittern werden“.
Einheit bedroht
Indirekt warnte er, in Zeiten des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine sei die so wichtige Einigkeit der westlichen Partner bedroht. Macrons Berater waren wenig optimistisch, dass er noch etwas würde aushandeln können, beispielsweise Ausnahmen, so wie es sie für Mexiko und Kanada gibt.

Bidens Gesetz sieht 370 Milliarden Dollar (354 Milliarden Euro) unter anderem für Steuererleichterungen beim Erwerb von Elektroautos und Subventionen im Bereich der erneuerbaren Energien vor – unter der Bedingung, dass es sich um Produkte aus US-amerikanischer Herstellung handelt. In Europa, allen voran Deutschland und Frankreich, wittert man eine Wettbewerbsverzerrung und fürchtet das Abwandern von Produktionen.
Ein weiteres schwieriges Thema dürfte der Preis sein, den die Europäer für US-Gas bezahlen müssen. Er ist um ein Vielfaches höher als für US-Verbraucher.
Biden: "Kein besserer Partner als Frankreich"
Biden nahm die offene Kritik am Rande der Visite offensichtlich nicht übel. Er betrachte Macron als einen Freund über die Tatsache hinaus, dass er französischer Staatschef sei, versicherte der US-Präsident bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. „Die USA könnten sich keinen besseren Partner wünschen als Frankreich.“
Macron betonte, wie geehrt er sich fühle, den ersten Staatsbesuch eines ausländischen Staats- oder Regierungschefs in den USA seit Bidens Wahl absolvieren zu dürfen. Erst 2018 hatte dessen Vorgänger Donald Trump Macron für eine Staatsvisite eingeladen. Frankreich „verfestigt so seinen Platz als erste europäische Partnernation der USA, die einen strategischen Ansprechpartner mit Gewicht“ suchen, analysierte die Zeitung Le Figaro nicht ohne Stolz.

Tatsächlich wurden Macron und seine Delegation in großem Pomp, mit Fanfaren und Kanonenschüssen begrüßt. Nach einer Unterredung mit der US-Vizepräsidentin Kamala Harris erfolgte gestern (Donnerstag) der Höhepunkt der Visite mit einem Empfang im Weißen Haus, einer gemeinsamen Pressekonferenz und einem Staatsbankett, animiert vom Jazzmusiker Jon Batiste. In dessen Heimat Louisiana reist Macron heute (Freitag), um einen Fonds für französischen Sprachunterricht zu gründen.
Der Besuch sollte auch die bilateralen Beziehungen kitten, die vor einem Jahr erheblichen Schaden nahmen. Überraschend vereinbarten die USA gemeinsam mit Großbritannien und Australien den U-Boot-Deal AUKUS, der einen bereits unterzeichneten Vertrag über den Verkauf französischer U-Boote an Australien platzen ließ. Frankreichs damaliger Außenminister Jean-Yves Le Drian sprach von einem „Stoß in den Rücken“, Paris zog erstmals in der Geschichte der beiden Länder den Botschafter aus Washington ab, Biden räumte später ein „ungeschicktes“ Vorgehen ein. Dieser Streit ist inzwischen beigelegt, aber Macron bestand auch jetzt einmal mehr darauf, „mit Respekt“ behandelt zu werden. Um das zu erreichen, wählt er gerne auch undiplomatische Worte.
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