Amerikas Rechte haben Viktor Orbán schon lange zu ihrem Helden erklärt, jetzt ist sogar Elon Musk sein Fan. „Ungarn bemüht sich sehr, sein Geburtenproblem zu lösen“, twitterte der reichste Mann der Welt kürzlich. Anlass für das Lob: ein Interview, das Ungarns Premier zuvor Tucker Carlson gegeben hatte, dem wohl polarisierendsten Moderator der USA. Orbán hatte dort seine Vision von Familienpolitik beschrieben, also den Wunsch, die Schrumpfung Ungarns aufzuhalten, indem er Frauen dazu bringt, mehr Kinder zu bekommen. „Familie, Nation, Gott – das ist wichtiger als mein Ego“, sagte er da.
Musk, selbst Vater von neun Kindern, wird am Donnerstag trotz offizieller Einladung nicht dabei sein, wenn Ungarns Premier mit seiner italienischen Kollegin Giorgia Meloni oder Serbiens Präsident Aleksandar Vučić auf der Bühne sitzt. Zum fünften Mal schon lädt Orbán die globalen Rechtspopulisten in die ungarische Hauptstadt, um seine Sicht auf Familien und vor allem auch Frauen zu propagieren. Das Motto: Man will wieder wachsen – aber bitte ja ohne Zuwanderung.
Die Fragen, die sich bei dem Thema stellen:
- Wie kann man sich Kinderkriegen finanziell attraktiver machen?
- Wie steht es um den Feminismus?
- Und: Wird es auch mehr Betreuungseinrichtungen geben?
Europa schrumpft
Hintergrund der Veranstaltung ist ein reales, durchaus drängendes Problem. Ganz Europa schrumpft, und jene Länder, deren Polit-Vertreter in Budapest anwesend sind, verlieren teils überproportional viele Einwohner. Die Abwanderung aus Ungarn ist seit Jahren hoch, Serbien hat sogar mehr als fünf Prozent Einwohner verloren. Die Geburtenraten sind dafür teils sehr niedrig – in Italien liegt sie deutlich unter dem EU-Schnitt von 1,53 Kindern pro Frau.
Ungarn konnte diesen Wert zuletzt steigern, und das heftet sich Orbán auf die Fahnen. Vor zehn Jahren hatte man dieselben Probleme wie Rom, mittlerweile bekommt jede Ungarin im Schnitt wieder 1,61 Kinder. Dafür hat Budapest auch massiv Geld in die Hand genommen: Fünf Prozent des BIP fließen jährlich in die Förderung der weiblichen Gebärfreudigkeit – Geld, das vornehmlich in Steuererleichterungen von Mehrkindfamilien geht; Frauen mit vier Kindern zahlen etwa lebenslang überhaupt keine Steuern mehr. Mittel für Strukturmaßnahmen, die eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern – Krippen- und Kindergartenausbau etwa – gibt es kaum.
Steueranreize
Das ist auch die Kritik, die Melonis Postfaschisten entgegenschlägt, die einen ähnlichen Weg gehen wollen. Italiens Premierministerin, die sich ja „Herr Ministerpräsident“ nennen lässt, betraute mit Eugenia Roccella eine bekennende Anti-Feministin mit dem Thema, die benannte ihr Ressort kurzerhand in „Ministerium für Familie und Geburtenrate“ um. Wirtschaftsexperten zweifeln allerdings daran, dass das Problem so gelöst wird: Steueranreize ließen Frauen zwar mehr Kinder bekommen, doch im Erwerbsleben fehlen sie wegen nicht existenter Betreuungsangebote. Italien ist auch in diesem Punkt Schlusslicht Europas – nur 49 Prozent der Frauen haben dort einen Job, die Kinderbetreuungsquote ist mit 30 Prozent auch sehr gering. Das gilt auch für Ungarn: Nur zwölf Prozent aller Kleinkinder sind in elementarpädagogischer Betreuung.
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Anti-Feminismus-Papst
Ob bei den Debatten in Budapest konträre Sichtweisen Platz haben werden, ist fraglich. Denn viele der Redner der Konferenz kommen nicht aus der Welt der Wissenschaft, sondern haben eher einen klerikalen oder ideologisch aufgeladenen Background: Neben Christiaan Alting von Geusau vom International Catholic Legislators Network (ICLN), der Verhütung als „von Natur aus böse“ bezeichnet, ist auch Jordan Peterson da. Der kanadische Psychologe, der sich selbst als Anti-Feminist und Anti-Wokeness-Papst inszeniert, spricht normalerweise vor ausverkauften Hallen, die Ticketpreise gehen in die Hunderten Dollar. Erfolg hat er, weil er nicht mit aggressiver Rhetorik punktet, sondern den zurückgelehnten Gestus des intellektuellen Uniprofessors pflegt.
Viktor Orbán hatte ihn zuletzt öfters in Ungarn zu Gast, und das hat – genauso wie die Konferenz – freilich Methode. Verbreitet Peterson eine Botschaft, verteilen sie seine Millionen Follower in die ganze Welt – bis hin zu Elon Musk.
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