Gipfel der Eitelkeiten: Merkel und die starken Männer

Schwierige Gäste: Trump, Erdogan, Putin in Hamburg
Trump, Erdoğan und Putin geht es in Hamburg nicht um Konsens, sondern um Inszenierung. Gastgeberin Angela Merkel steht vor einer Mammut-Aufgabe – sie will notfalls auf Konfrontation gehen.

Es hätte so schön werden können. Hillary Clinton auf der Gangway, das eingeübte Grinsen im Gesicht, unten auf dem Rollfeld Angela Merkel, in der Rolle der Gastgeberin. Das war das Bild, das das Kanzleramt für seine G20-Präsidentschaft hatte.

Was die Kameras am Donnerstag stattdessen einfangen, ist das genaue Gegenteil: Auf der Gangway steht ein grinsender Donald Trump, und für die Fotografen ist sein Händchenhalten mit Gattin Melania ebenso wichtig wie der Umstand, wer auf ihn wartet. Nicht Angela Merkel, sondern nur Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz steht da; ein untrügliches Zeichen dafür, wie sehr sich die politische Tektonik verschoben hat.

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Problemfall Trump

Kaum wer weiß das so gut wie die deutsche Kanzlerin, die heute als dienstältestes Gruppenmitglied die vermeintlichen "Weltregierung" in ihrer Geburtsstadt empfängt. "Ein Stück weit vorbei" sei die Zeit, als sie sich auf die USA verlassen konnte, sagte sie vor nicht allzu langer Zeit; und bereits damals war zu ahnen, was in Hamburg passieren würde: Lars-Hendrik Röller, der deutsche Sherpa, der die Abschlusserklärungen vorbereitet, war da schon ob der verwirrenden Vorgaben aus Washington von seinem Ziel abgewichen, einen knackigen Konsens zu erzielen. Mitten in der Vorbereitung tauschte Trump dann auch noch seinen Unterhändler aus: Erst seit einem Monat ist der neue Ansprechpartner im Amt, und viel mehr, als dass er zumindest kein kompletter Neuling auf seinem Gebiet ist, weiß man in Berlin nicht.

Mit solch erratisch wirkenden Aktionen rechnet man auch in den kommenden Gipfel-Tagen. Merkel hat Trump darum schon vorab zum Zweier-Gespräch gebeten; um 18 Uhr trifft sie sich, komplett abgeschottet, im noblen Hotel Atlantic mit ihm. Ob das was hilft, ist freilich fraglich: Kaum jemand rechnet damit, dass der in der Klimafrage erzielte Vorab-Konsens der Sherpas halten wird; auch in puncto Handel erwartet man nur Donnergrollen Trumps. Strafzölle stehen im Raum, einen Handelskrieg hält man nicht mehr für ausgeschlossen.

Merkel steht deshalb vor einer harten Entscheidung: Sucht sie den Konsens, ist das mit Konzessionen gegenüber den USA verbunden – und das könnte ihr im Wahlkampf als Weichheit ausgelegt werden. Geht sie auf Konfrontation mit Trump, riskiert sie den offenen Bruch – und den muss man erst mal aushalten.

In Berlin neigt man dennoch zu Zweiterem, zu einem 19:1. Das ist auch deshalb denkbar, weil man sich dafür neue Allianzen gesucht hat. Nicht umsonst hat Merkel im Vorfeld die Nähe des chinesischen Präsidenten Xi gesucht – und dabei brav alle kritischen Themen ausgeblendet; auch ihr forsches Ja zum EU-Handelsabkommen mit Japan war ein Signal gegen Trumps "America first".

Faserschmeichler Putin

Zu guter Letzt hat sie Rückendeckung von einem erhalten, mit dem sie zuletzt eher nicht besonders gut konnte: Russlands Präsident Wladimir Putin ließ im Vorfeld wissen, dass er die deutschen G20-Prioritäten stütze. "Der Protektionismus entwickelt sich zu einer Verhaltensnorm" schrieb er im Handelsblatt – eine eindeutige Botschaft Richtung USA. Dass er sich gerade bei den Sollbruchstellen Freihandel und Klimaschutz hinter Merkel stellte, ist ein Glück für sie; die Motive dafür dürften jedoch kaum altruistisch sein: Auch ihm geht es – wie Trump – um Eitelkeit und Eigeninteressen. Da er auf seinen offenen Flanke, dem Ukraine-Konflikt, keine Hilfe seitens der USA erwarten kann, teilt er eben aus. Die Antwort Trumps ließ darum auch nicht lange auf sich warten: Er sprach von "destabilisierendem Verhalten" Moskaus (siehe unten) .

Erdoğans Störfeuer

Wenn sich die beiden am Freitag erstmals unter vier Augen treffen, wird das wohl mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen als der restliche Gipfel – für Merkel ist das gar nicht schlecht: Sie kann sich derweil um den dritten Problemkandidaten kümmern – den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Er gilt beim dritten G20-Thema Merkels, der Migration, als Wackelkandidat – gut möglich, dass er da aus innenpolitischen Motiven Störfeuer Richtung Merkel und die EU abfeuern will. Die Zeichen dafür stehen jedenfalls nicht gut: Dass just vor Beginn des Gipfels in der Türkei wieder ein Deutscher festgenommen wurde stimmt die Gipfel-Ausrichter ebenso wenig hoffnungsfroh wie die Tirade, die er zuletzt abfeuerte: Er nannte die Weigerung der Deutschen, ihn im Rahmen des Gipfels vor Türken sprechen zu lassen, "Selbstmord".

Kein Wunder, dass Merkel da vor dem Gipfel von der "Quadratur des Kreises" sprach. Mit Hillary wäre es sicher einfacher gewesen.

Sowohl bei den offiziellen als auch bei den inoffiziellen Themen der G20 (siehe auch rechts) gibt es jede Menge Konfliktpotenzial. Vor allem in der Klimafrage, nachdem die USA aus dem Pariser Abkommen aussteigen wollen. China hat bereits vor Beginn der Unterredungen klargemacht, dass es einer Klimaerklärung ohne die USA nicht zustimmen werde.

Auch beim Welthandel (Stichwort US-Protektionismus) oder der Finanzmarktregulierung, gegen die US-Präsident Donald Trump stets auftritt, ist Streit gleichsam programmiert.

Ein weiteres zentrales Thema ist die Entwicklungshilfe, vor allem Afrika steht dabei im Fokus.

Offiziell nicht auf der Agenda, nichtsdestotrotz aber wohl heftig diskutiert: Die jüngsten Provokationen Nordkoreas (die USA sind für eine härtere Gangart, Russland und China eher dagegen), der Syrienkonflikt, in dem Washington und Moskau unterschiedliche Seiten unterstützen, sowie die Migrationsproblematik.

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