Friedrich Merz: Zurück aufs Spielfeld
"Kein Programm, kein Kandidat, keine Strategie, keine Kommunikation, keine Agentur, nichts." Das sei "hart am Rande des Selbstmordes" gewesen. So kommentierte Friedrich Merz jüngst den Wahlkampf der CDU. Der 66-Jährige rechnet in Interviews gerne pointiert und einfach mit seiner Partei ab. Eine Rolle, die ihn groß und zur Sehnsuchtsfigur aller Unzufriedenen gemacht hat.
Wenn er am Samstag auf einem digitalen Parteitag als CDU-Chef bestätigt wird, muss er künftig zeigen, dass er auch eine andere Rolle beherrscht. Vom Kommentator auf der Seitenlinie zum Mannschaftsführer auf dem Spielfeld. Keine einfache Sache.
"Beachtliche Teile des Partei-Establishments" wollten ihn verhindern, wetterte er 2020 bei seinem zweiten Anlauf zum Partei-Vorsitzenden. Und brachte damit Teile der CDU-Spitze gegen sich auf, zu der er nun selber gehört. Fast zwölf Jahre ist es her, dass er als Abgeordneter aus dem Bundestag schied und damit aus der aktiven Politik. 2018 kehrte er zurück. Als Angela Merkel beschloss, ihren Parteivorsitz abzugeben, war er zur Stelle, um jene Frau zu beerben, die ihn 2002 vom Fraktionsvorsitz der Union verdrängt hatte.
Mit dem Image des Antipoden wusste er zu punkten: Mehr Klartext, Wirtschaft und Konservatismus - Versprechen, die die Herzen der Merz-Fans höher schlagen ließen. Zuletzt wählten ihn 62 Prozent der Mitglieder zum Parteichef.
Zu männlich, zu alt
Auf dem Sauerländer lasten also große Erwartungen und viel Arbeit. Das Ergebnis bei der Bundestagswahl (24 Prozent) war das bisher schlechteste in der Geschichte der CDU. Es geht also um nichts Geringeres, als den Kurs einer Partei zu bestimmen, die orientierungslos und überaltert ist. Und der langsam die Mitglieder davon laufen. Sie zählte am 31. Dezember 384.204 Menschen in ihren Reihen - knapp 15.000 weniger als ein Jahr zuvor (399.110). Wenig punkten kann sie zudem bei Frauen und jüngeren Menschen. Laut Parteiangaben sind fast 73,4 Prozent der Mitglieder männlich und 26,6 Prozent weiblich. Im Schnitt ist ein Mitglied ist knapp 60 Jahre alt.
Merz ist sich der Problematik bewusst, tut sich damit aber etwas schwer. Mit seinem Sager "Ein Wort zu den Frauen" sorgte er auf dem Parteitag 2021 für Stirnrunzeln und bestätigte all jene, die ihm Rückwärtsgewandtheit attestieren. Seltsam mutete auch sein Versuch als Parteichef an, das Amt einer Stellvertreterin für den neuen Generalsekretären zu kreieren. Aus familiären Gründen wäre sie nicht als Generalsekretärin zur Verfügung gestanden, verteidigte Merz sich gegen die Kritik.
Zur personellen Neuaufstellung der Partei - der ganze Bundesvorstand wird am Samstag neu gewählt - kommt auch das schwierige Verhältnis zur Schwesterpartei CSU hinzu. Mit seinem CSU-Gegenüber, Markus Söder, verband Merz eher gegenseitige Abneigung. Zuletzt zeigten sich beide um gutes Einvernehmen bemüht - zumindest beim ans Arbeitstreffen anschließende Fotoshooting in Bayern.
Dass die neue Eintracht schnell in Zwietracht umschlagen kann, ist nicht unwahrscheinlich. 2023 wird in Bayern gewählt, und Söder muss um seine Wiederwahl kämpfen. Eine Breitseite gegen die Politik der großen Schwesterpartei hat in Bayern schon immer geholfen, die Zustimmungswerte aufzubessern.
Machtkampf um den Fraktionsvorsitz
Machtkämpfe lauern aber auch in den eigenen Reihen: Nach 16 Jahren an der Regierung sitzt die Union erstmals wieder auf der Oppositionsbank. Diese dort lautstark anzuführen, der Stachel im Fleisch der Ampel-Koalition zu sein, entspricht eigentlich dem Merz'schen Naturell und würde ihm mediale Präsenz garantieren. Doch in der Rolle des wortstarken Oppositionsführers sieht sich auch Ralph Brinkhaus. Der bis Ende April gewählte Fraktionschef hat bereits klar gemacht, dass er nicht so schnell weichen wolle.
Doch der erste Stimmungstest steht Friedrich Merz schon früher bevor. Wenn im März das Saarland wählt, im Mai Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen, müssen gleich drei CDU-Regierungschef ihre Ämter verteidigen. In aktuellen Umfragen liegen in allen Ländern die Sozialdemokraten vorne. Im SPD-regierten Niedersachsen, wo im Oktober gewählt wird, wollen die Christdemokraten den Sitz in der Staatskanzlei zurückerobern. Ob sich der frischgewählte Parteichef dabei als Hilfe erweist, wird sich zeigen.
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