Immerhin gehört diese FPÖ im EU-Parlament zur Fraktion „Patrioten für Europa“. Eine Vereinigung von – vorsichtig formuliert – EU-skeptischen Parteien wie Viktor Orbáns Fidesz, der Partei für die Freiheit des Niederländers Geert Wilders oder Spaniens Vox.
Was diese Parteien neben der oft brachialen EU-Kritik vereint: Demonstrative Nähe zu Russland und ständige Konflikte mit den Prinzipien des Rechtsstaates.
Die drei Prinzipien
Genau das aber sind die drei Grundprinzipien, die sich die EVP quasi als Basis für jede politische Partnerschaft verordnet hat: Pro Ukraine, pro Europa und pro Rechtsstaat - so das Motto, das EVP-Chef Manfred Weber quasi wie ein Banner vor sich herträgt.
Parteien, die diese Prinzipien einhalten, kämen als politische Partner für die Parteien der EVP in Frage. Mit diesen Argumenten hat der Bayer etwa die Zusammenarbeit mit den Fratelli d’Italia von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni begründet. Die würden den genannten Prinzipien folgen, verteidigte Weber die Zusammenarbeit gegenüber den wütenden Attacken der linken Parteien im EU-Parlament.
Die „Patrioten für Europa“ aber, und mit ihnen die FPÖ, die befänden sich klar hinter der roten Linie für eine Partnerschaft, hatten Weber und andere führende Persönlichkeiten der EVP immer wieder betont. Und dann steigt die ÖVP in Wien genau über diese rote Linie einfach drüber.
Krisengespräche
Offiziell demonstrieren Manfred Weber und die EVP-Spitze Vertrauen in die ÖVP. Christian Stocker und sein Team „die werden die Prinzipien der EVP umsetzen“ meint Weber. Man werde den Kollegen in Wien keine Ratschläge erteilen und verlasse sich auf deren Standfestigkeit.
Alexander Schallenberg, immerhin amtierender Bundeskanzler, habe das in Berlin überzeugend vermittelt. Schallenberg aber hat sich bereits von einer Koalition mit der FPÖ distanziert und will in dieser auf keinen Fall ein Amt bekleiden.
Abseits der Mikrofone bringen viele der EVP-Spitzen ihre Sorgen klar zum Ausdruck. Man berichtet von intensiven Kontakten mit Wien, bis zu Bundespräsident Alexander van der Bellen. Im Zentrum stand dabei immer die Frage: Wie kann man der FPÖ die Zusicherung abringen, diese Prinzipien einzuhalten – und wie verlässlich ist diese Zusicherung?
Beim Treffen in Berlin jedenfalls wurden die EVP-Parteifreunde in ganz Europa, die derzeit mit Rechtsaußen kooperieren, über ihre Zusammenarbeit befragt. So unterschiedlich die Erfahrungen auch sind, einen Politiker vom Zuschnitt Herbert Kickls hat man noch nirgendwo zum Regierungschef gemacht.
Entsprechend emotional wurde die Debatte in Berlin auch geführt. Die ÖVP „verkaufe ihre Seele“, soll etwa EU-Abgeordneter Peter Liese gemeint haben, wie die Presse aus internen Quellen erfuhr. Er zweifle daran, dass sich die FPÖ an die EVP-Regeln halten werde. Es brauche eine zweite Option.
Minderheitsregierung?
Doch welche? Genau diese Debatte geht auch nach Berlin unvermindert weiter. Unter den EVP-Spitzen wird nach KURIER-Informationen jede Möglichkeit ausgelotet, wie man in Wien zu einer anderen Regierungskonstellation kommen könne.
Sogar das Abenteuer einer Minderheitsregierung wurde angesprochen, aber auch natürlich ein schneller Bruch der Koalition und die Folgen. Am größten ist die Nervosität bei den deutschen Schwesterparteien CDU und CSU, die ja unmittelbar vor Wahlen stehen – und vor einer immer stärkeren rechtsextremen AfD.
Während sich CDU-Chef Friedrich Merz zumindest öffentlich darauf beschränkt Wien an politische Grundhaltungen zu erinnern, hat sich CSU-Chef Söder offen gegen die Koalition mit der FPÖ ausgesprochen. Umso heikler wird es für dessen CSU-Parteikollegen Manfred Weber, der die EVP als deren Chef auf Linie halten muss, auch wenn in Wien ein Bundeskanzler Kickl sitzt.
Weber hat die EVP zu einem eindrucksvollen Erfolg bei den EU-Wahlen im Vorjahr geführt. Sie ist seither die mit Abstand stärkste Fraktion im EU-Parlament und kann sich ihre politischen Partner links und rechts der Mitte aussuchen. Die FPÖ aber war da von Weber nicht eingeplant
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