Frauen in Afghanistan: „Der Widerwille, aufzugeben“

Unter der Taliban-Herrschaft (1996–2001) mussten Millionen Frauen leiden – jetzt organisieren sie sich
Friedensgespräche. Eine Journalistin und eine Aktivistin sprachen in Wien über die Taliban und die Zukunft des Landes

Als Sana Safi das Volksschulalter erreichte, gab es für sie nur wenig, auf das sie sich freuen konnte. Die Schule war damals für Mädchen tabu. Es war 1996 und die Taliban hatten das Sagen in Afghanistan. Sie habe „Glück“ gehabt, erzählt Safi dem KURIER. Denn ihre Mutter organisierte Unterricht für die Mädchen – mit mehreren Rückschlägen –, sodass Safi und die Mädchen in ihrer Familie zumindest Lesen und Schreiben lernen konnten.

Heute ist Sana Safi eine bekannte afghanische Journalistin und arbeitet für die BBC in London. Vergangene Woche war sie gemeinsam mit der afghanischen Aktivistin Orzala Nemat auf Einladung des heimischen Think Tanks VIDC in Wien zu Gast.

Frauen in Afghanistan: „Der Widerwille, aufzugeben“

Sana Safi (l) und Orzala Nemat vergangene Woche in Wien

Weiblicher Widerstand

Orzala Nemat erzählt, wie sich die Situation der Frauen in der Taliban-Herrschaft (1996–2001) zwar verschlimmert hat, wie sich die Afghaninnen aber dennoch nicht unterkriegen ließen: „Der Westen kennt die Bilder der Frauen in Burkas, der gesteinigten Frauen in Stadien. Aber auch etwas anderes hat diese schreckliche Zeit hervorgebracht: Den weiblichen Widerwillen, aufzugeben.“ Es habe sich ein gewisser Widerstand gegen die Unterdrückung gebildet, Frauen hätten Häuser in Klassenzimmer umfunktioniert und auf andere Weise ihre Hoffnung nicht verloren.

Friedensgespräche

In den vergangenen Wochen fand in Katar die mittlerweile sechste Runde der Friedensverhandlungen zwischen Taliban-Vertretern und den USA statt. Die Taliban hatten weite Teile Afghanistans von 1996 bis zum Einmarsch der US-Truppen 2001 unter ihrer Kontrolle. In den vergangenen Jahren sind sie wiedererstarkt.

Die bisherige Terrormiliz bietet nun an, das Land von Terroristen freizuhalten, dafür sollen die USA ihre Truppen abziehen. Viele Afghanen fürchten die Rückkehr der Taliban-Herrschaft: „Wir laufen Gefahr, wieder zurück in die Unterdrückung zu fallen“, warnt Nemat. Deshalb dürften vor allem die Frauen nicht still bleiben. „Wir müssen jetzt sicherstellen, dass das nicht vor unseren Augen passiert.“

Eine weibliche Vertreterin suchte man am Verhandlungstisch vergeblich. Doch das ist nicht alles, nicht einmal die afghanische Regierung nimmt an den Friedensgesprächen teil.

Wie überall sind die Forderungen der Frauen in Afghanistan nicht homogen. Doch seit einiger Zeit formieren und organisieren sich Afghaninnen. Vor wenigen Tagen haben sich rund 1000 Frauen in der Loja Dschirga (Versammlung) in Kabul mit dem Präsidenten und anderen politischen Vertretern getroffen, um einen Forderungskatalog zu überbringen.

Mit dem internationalen Engagement, sagt Sana Safi, kamen zwar einige Schwierigkeiten, jedoch habe sich die Situation der Frauen ein wenig verbessert. Doch Orzala Nemat erklärt, warum immer noch viele Mädchen nicht in die Schule gehen können: „Teils ist es verboten. Teils gibt es einfach keine Infrastruktur. Und teilweise haben die Eltern einfach Angst, die Mädchen in die Schule zu schicken, etwa weil der Weg dorthin zu gefährlich wäre.“

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