Französischer Linkstribun verstört mit Schreiduell bei Razzia

Französischer Linkstribun verstört mit Schreiduell bei Razzia
Die Aggressivität von Jean-Luc Melenchon gegenüber der Justiz verunsichert einen Teil seiner Anhänger.

Danny Leder aus Paris

Ist Jean-Luc Melenchon diesmal zu weit gegangen? Der französische Linkstribun, der in Umfragen als „wirksamster Gegner von Präsident Emmanuel Macron“ aufscheint, hatte sich am Dienstag ein spektakuläres Schreiduell und eine Rempelei mit einem Staatsanwalt und Polizisten geleistet.

Die Beamten waren gerade im Begriff die Pariser Parteizentrale der Bewegung von Melenchon, „La France insoumise“ (Ungebeugtes Frankreich – LFI) zu durchsuchen. Gegen die LFI läuft eine von der Pariser Staatsanwaltschaft angeordnete Vorerhebung wegen des Verdachts auf Veruntreuung öffentlicher Gelder in Frankreich im Zuge der letzten Wahlen 2017 und Scheinanstellungen im Rahmen des Europa-Parlaments. Konkret soll die LFI für die Kampagne für die vorjährigen französischen Präsidentenwahlen dank aufgeblähter und gefälschter Rechnungen rund 1,5 Millionen Euro zuviel an Wahlkampfausgaben vom Staat eingefordert und zurückerstattet bekommen haben. LFI-Abgeordnete im Europa-Parlament sollen Personen auf der EU-Gehaltsliste geführt haben, die in Wirklichkeit nicht im EU-Rahmen sondern bloß für ihre Bewegung in Frankreich arbeiteten.

Mit ähnlichen Vorwürfen der Justiz haben auch andere Parteien zu kämpfen: darunter eine kleine Zentrumspartei, MODEM, die sich mit der Bewegung von Staatschef Macron verbündet hat. Als das Verfahren gegen diese Partei Gang kam, demissionierten gleich drei wichtige Regierungsmitglieder des MODEM, darunter der Parteichef und Justizminister Francois Bayrou.

Anklage gegen Marine Le Pen

Auch gegen die Nationalistin Marine Le Pen und ihre engsten Vertrauten sind ebenfalls mehrere Justizverfahren wegen illegaler Parteienfinanzierung, Amtsmissbrauchs und Veruntreuung öffentlicher Gelder im Gang.  Erst am vergangenen Freitag wurde Le Pen nach einer Einvernahme in einem Pariser Gericht eine Voranklage-Erhebung wegen „Betrugs“ und „Veruntreuung öffentlicher Gelder“ beschieden. Dabei geht es, so wie bei MODEM und LFI, um die Entlohnung (durch die EU) von vorgeblichen Assistenten von EU-Parlamentariern, die de facto kaum bis nie im oder für das Europa-Parlament tätig waren. Am vergangenen Mittwoch wurde deswegen auch Anklage erhoben gegen den Belgier Charles Van Houtte, dem ehemaligen Administrator der rechten Fraktion im EU-Parlament namens „Europa der Nationen und der Freiheit“, der auch die FPÖ angehört.

 

Französischer Linkstribun verstört mit Schreiduell bei Razzia

Insgesamt sei das EU-Parlament mit diesen Scheinanstellungen um 7,5 Millionen Euro von den rechten Parlamentariern geschädigt worden. Marine Le Pen droht im Falle einer Verurteilung der Verlust ihrer Wählbarkeit für politische Mandate. Die französischen Richter haben zwei Millionen Euro an öffentlichen Subventionen für die Partei von Le Pen, dem „Rassemblement national“ (Nationale Sammlung – RN, vormals „Front national“), vorläufig einbehalten.

Marine Le Pen, die bereits ein Drittel ihrer Parteilokale schließen musste, spricht von einer „politischen Ermordung“. Bei ihrer jüngsten Einvernahme weigerte sie sich, auf die detaillierte Fragen des U-Richters zu antworten mit dem Argument, die Justiz könne sich nicht anmaßen „über die politische Arbeit eines Abgeordneten zur urteilen“, weil sie sonst die „Gewalten-Trennung“ verletzte, die die Verfassung vorsieht.

„Die Republik, das bin ich“

Ähnliches führte auch der Linkstribun Melenchon ins Treffen, als er Polizisten und den Staatsanwalt während der Durchsuchung seiner Parteizentrale körperlich bedrängte. Einem Polizisten, dem Melenchon auf den Leib rückte, rief er entgegen: „Trau Dich, stoß mich, versuch es nur“ und fügte bei: "Die Republik, das bin ich" und „Ich bin heilig“. Nachträglich ließ Melenchon wissen, er habe damit sein Funktion als gewählter Volksvertreter gemeint, in der er, sinngemäß, unantastbar sei.

„Wir werden wie eine Verbrecher-Gang behandelt, so geht man nicht einmal mit Drogenbossen um“, tobte Melenchon. Dabei zielt der Linkstribun auf den Umstand, dass die Behörden gleichzeitig ein Dutzend Privatwohnungen und etliche Lokale seiner Partei durchsucht und sämtliche vorhandenen Informatik-Aufzeichnungen beschlagnahmt hatten. Diese „Brutalität“ und der „Aufwand eines enormen Polizeiaufgebots“ stünden in keinem Verhältnis zu den erhobenen Vorwürfen. Bei jüngsten Affären und Erhebungen gegen Personen aus dem Umkreis von Präsident Macron wären die Behörden viel behutsamer vorgegangen, meint Melenchon. Er ortet daher „ein politisches Ablenkungs-Manöver“ des  zurzeit unpopulären Staatschefs im Vorlauf der EU-Wahlen 2019.

Melenchon demütigt Journalistin

Es ist nicht ausgeschlossen, dass Melenchon mit diesem Gegenangriff auf Macron bei einem Teil der Bevölkerung auf Gehör stößt oder sich zumindest aus einer heiklen Lage herausmanövriert. Aber bei vielen Franzosen, darunter auch Wählern und Aktivisten seiner eigenen Bewegung, wirkt das gewaltschwangere Auftreten von Melenchon gegenüber einem Staatsanwalt und Polizisten zutiefst schockierend. Melenchon, der schon bisher für seine Zornausbrüche berüchtigt war, könnte diesmal eine Grenze überschritten haben, nicht zuletzt auch weil er in diesem Zusammenhang eine Journalistin vor laufenden Kameras demütigte: eine TV-Reporterin stellte ihm eine kritische aber sehr klar formulierte Frage, bloß mit südfranzösischem Akzent. Er äffte ihr nach, wandte sich demonstrativ von ihr ab und fragte seinerseits in die Runde: „Gibt es jemanden mit einer Frage, in Französisch formuliert und halbwegs verständlich?“

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