"Nur das Quotensystem löst das Asylproblem"

Timmermans und Faymann im Gleichschritt: Über Flüchtlingspolitik und Griechenland sind sie sich einig
Frans Timmermans, Erster Kommissions-Vize, unterstützt das Anliegen Österreichs, Asylwerber fair zu verteilen.

Ein ganzes Bündel von Problemen – das griechische Schuldendrama, der Ansturm von Flüchtlingen, das EU-Freihandelsabkommen mit den USA – hielt Frans Timmermans nicht ab, der Stadt Wien eine Liebeserklärung zu machen: "Mein Vater war hier Diplomat, ich lebte als Kind zwei Mal in Wien und ich erinnere mich ganz genau, Wien war in den 1970er Jahren eine graue Grenzstadt. Jetzt ist es eine der schönsten Städte Europas."

Am Donnerstag traf der Erste Vizepräsident der EU-Kommission die Spitzenvertreter des Parlaments und der Bundesregierung.

In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Werner Faymann bekräftigte er den Plan der Kommission, Flüchtlinge gerecht in der EU aufzuteilen. "Nur das Quotensystem löst das Asylproblem", sagte er zum KURIER. Auch wenn einige Länder nichts davon wissen wollen, halte die Kommission daran fest. Im Juli sollen neue Vorschläge für eine faire Aufteilung vorgelegt werden. "Wir kämpfen weiterhin für die verpflichtende Quote und halten an unserem Plan fest. Ich kenne auch keinen besseren Vorschlag."

Der niederländische Sozialdemokrat versprach dem Bundeskanzler, die Regierung in ihrer Flüchtlingspolitik "zu unterstützen. Österreich hat ein Recht darauf, dass auch andere Länder Solidarität zeigen". Timmermans betonte aber, dass Solidarität auch voraussetzt, dass alle Staaten gemeinsame Regeln befolgen, illegale Migranten registrieren und Fingerabdrücke nehmen.

Faymann erneuerte seinen Appell an die EU-Partner. "Ohne Solidarität werden Flüchtlinge in der EU nur hin- und hergeschoben."

Einig waren sich die beiden Politiker zu Griechenland. Die Leidtragenden der Zick-Zack-Politik der Athener Regierung seien die Menschen, im besonderen die Armen. Timmermans bekräftigte, dass die Kommission unter Jean-Claude Juncker weiterhin alles versuchen werde, mit den Griechen im Gespräch zu bleiben. Derzeit gebe es aber eine Pause, nach dem Referendum werde wieder verhandelt. Ein EU-Sondergipfel nächste Woche ist nicht mehr ausgeschlossen.

Gestreift wurde auch das umstrittene Freihandelsabkommen der EU mit den USA (TTIP). "Ich bin ein Befürworter von TTIP, weil so ein Abkommen, wenn es richtig angelegt ist, allen sehr viel bringen kann", ließ Timmermans wissen. "Richtig angelegt" – bei dieser Bemerkung hakte Faymann ein, der private Schiedsgerichte in so einem Vertrag ablehnt. Der hohe Gast aus Brüssel weiß um die Empfindlichkeiten der Österreicher bezüglich TTIP Bescheid. "Wir wollen ein System, das für alle akzeptabel ist und öffentliche Interessen berücksichtigt." Damit soll der TTIP-skeptischen österreichischen Bevölkerung die Angst vor dem Abkommen genommen werden.

Die Bedeutung von TTIP, die Kommission als Bürokratie-Hochburg, eine EU-Armee, Zeltlager und gemeinsame Flüchtlingspolitik – all diese Fragen beantwortete Timmermans Donnerstagabend bei einem Bürgerforum im Museumsquartier. Er ging auch auf die Sorgen der EU-Kritiker ein, diese Gruppe wird ja immer größer, und er erwiderte ihnen. "Die Euro-Skeptiker haben nicht immer unrecht, aber sie haben nie gute Lösungen."

Die Debatte mit Votings der Besucher und Fragen über Twitter wäre aber noch besser besucht gewesen, hätte es im weitläufigen Museumsquartier Hinweise zur Veranstaltung und mehr PR gegeben.

In der Kommission ist Timmermans der engste Vertraute von Jean-Claude Juncker und damit betraut, den Bürgern die EU und die Brüsseler Politik näher zu bringen. Vielsprachig und ein Kommunikationstalent erklärt er Bürgern, warum EU-Vorschriften nötig sind, welche ersatzlos gestrichen gehören und welche Kompetenzen unbedingt in die Mitgliedsländer zurückwandern müssen. Der 54-jährige ausgebildete Spitzendiplomat, er war Außenminister in Den Haag, ist auch für Demokratie-Fragen, Rechtsstaatlichkeit und für europäische Grundrechte zuständig.

Gemeinsam mit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner stellte sich Timmermans am Donnerstag rund zwei Stunden den Fragen der Besucher. "Es ist eine Freude hier zu sein und mit den Menschen zu reden, selbst bei diesen Temperaturen." Den Zweiflern an der EU gab er mit auf den Weg, für die "gemeinsame europäische Leidenschaft" einzutreten. Denn: "Unser Schicksal ist Europa."

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