Frankreichs Regierung übersteht beide Misstrauensabstimmungen

Sebastian Lécornu.
Zusammenfassung
- Frankreichs Premierminister Lecornu und seine Regierung haben zwei Misstrauensabstimmungen der Opposition überstanden.
- Nach dem Scheitern der Anträge kann die Regierung nun schwierige Haushalts- und Rentenreformberatungen aufnehmen.
- Die politische Krise ist vorerst abgewendet, doch die Nationalversammlung bleibt tief gespalten und Kompromisse sind weiterhin nötig.
Frankreichs Premierminister Sébastien Lecornu und seine Mitte-Rechts-Regierung haben beide Misstrauensvoten der Opposition überstanden. Nach dem Misstrauensantrag der Linkspartei fand im Anschluss auch ein separater Vorstoß von Marine Le Pens Rechtsnationalen keine Mehrheit.
Politische Krise in Frankreich kann sich vorerst beruhigen
Für den Antrag des Rassemblement National (RN) stimmten nur 144 Abgeordnete. Für einen Sturz der Regierung wären 289 Stimmen nötig gewesen. Zuvor hatten 271 der 577 Abgeordneten dem Misstrauensantrag der Linkspopulisten zugestimmt.
Die seit längerem andauernde politische Krise in Frankreich kann sich damit vorerst beruhigen. Regierung und Parlament können nun in die schwierigen Beratungen über einen Sparhaushalt einsteigen, den der Premier am Dienstag vorgelegt hatte. Auch über eine Reform des Rentensystems steht dann eine neue Debatte an.
Zugeständnisse an die Opposition
Lecornu hatte am Dienstag ein Aussetzen der umstrittenen Pensionsreform von Präsident Emmanuel Macron angekündigt und sich mit diesem Zugeständnis an die Opposition die Unterstützung der Sozialisten gesichert. Diese hatten ein Aussetzen der Reform gefordert und zur Bedingung für eine Duldung der neuen Regierung gemacht. Auch die Konservativen hatten Lecornu im Vorfeld ihre Unterstützung zugesichert.
Der Abstimmung über den Misstrauensantrag waren turbulente Wochen in der französischen Politik vorangegangen. Im Streit um einen Sparhaushalt scheiterte Lecornus Vorgänger François Bayrou, er verlor Anfang September eine Vertrauensfrage. Macron ernannte Lecornu zum Premier, der nach nur vier Wochen im Amt nach internem Streit hinschmiss, von Macron aber erneut ins Amt eingesetzt wurde.
Schwierige Beratungen stehen an
Nach dem Scheitern beider Misstrauensanträge können Regierung und Parlament in die schwierigen Beratungen über einen Sparhaushalt einsteigen, den der Premier am Dienstag vorgelegt hat. Die Gewerkschaft CGT kündigte für den 6. November bereits Proteste an, weil der Haushaltsentwurf aus ihrer Sicht zulasten der Pensionisten im Land geht. Auch dazu, wie es auf lange Sicht mit dem Pensionssystem weitergeht, steht im Parlament in diesem Fall eine neue Debatte an.
Ein gelungener Neustart Lecornus wird als Macrons letzte Chance angesehen, seine bis 2027 laufende zweite Amtszeit ohne noch weitreichenderen Ansehensverlust zu überstehen. Er war in der jüngsten Krise verstärkt in die Kritik geraten. Teile der Opposition fordern seinen Rücktritt, und auch in den eigenen Reihen hat sich Unmut breit gemacht.
Kann die Wirtschaft aufatmen?
Ein abgewendeter Regierungssturz könnte außerdem die Möglichkeit eröffnen, dass die finanziellen Probleme des hoch verschuldeten Landes nun angegangen werden. Damit Frankreich Ende des Jahres nicht ohne einen Haushalt für 2026 dasteht, hatte Lecornu gerade noch innerhalb der Frist am Dienstag einen Budgetentwurf eingebracht. Das gibt auch Wirtschaft und Investoren Zuversicht.
Gemessen an der Wirtschaftsleistung hat Frankreich mit 114 Prozent die dritthöchste Schuldenquote in der EU nach Griechenland und Italien. Das Haushaltsdefizit lag zuletzt bei 5,8 Prozent. Lecornu kündigte in seiner Regierungserklärung an, das Defizit im kommenden Jahr auf 4,7 Prozent senken zu wollen. Die Europäische Union hat bereits im Juli 2024 ein Defizitverfahren gegen Frankreich eröffnet.
Koalitionen in Frankreich unüblich
Auch wenn der Premier gestärkt aus den Misstrauensabstimmungen hervorgeht, wäre die politische Krise in Frankreich damit im Grunde noch nicht gelöst. Seit der vorgezogenen Parlamentswahl im Sommer 2024 ist die Nationalversammlung in mehrere politische Blöcke geteilt, die jeweils allein keine regierungsfähige Mehrheit besitzen, aber auch keine tragfähigen Bündnisse bilden und sich gegenseitig blockieren. Koalitionen wie etwa in Österreich sind in Frankreich unüblich. Lecornu rief die Parteien zu Kompromissen auf. "Unsere Aufgabe ist es, diese politische Krise, in der wir uns befinden, zu überwinden."
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