Bis 2028: Frankreichs Premier setzt umstrittene Pensionsreform aus

French Prime Minister Lecornu holds general policy speech at National Assembly
Frankreichs Regierungschef Lecornu setzt die umstrittene Pensionsreform von Präsident Macron aus. Geplant war eine Anhebung des Pensionseintrittsalters.

Zusammenfassung

  • Frankreichs Regierungschef Lecornu setzt die umstrittene Pensionsreform bis Januar 2028 aus, um politische Stabilität zu sichern und Sozialisten zu gewinnen.
  • Misstrauensanträge von Rechts- und Linkspopulisten könnten zu Neuwahlen führen, falls die Sozialisten zustimmen.
  • Der neue Haushaltsentwurf sieht Einsparungen von rund 30 Milliarden Euro vor und soll das Staatsdefizit unter fünf Prozent senken.

Frankreichs Regierungschef Sébastien Lecornu setzt die umstrittene Pensionsreform von Präsident Emmanuel Macron aus. Wie Lecornu in seiner Regierungserklärung am Dienstag in Paris ankündigte, soll die Anhebung des Pensionseintrittsalters auf 64 Jahre bis Jänner 2028 ausgesetzt werden. Dieser Schritt war von den Sozialisten gefordert worden, deren knapp 70 Stimmen für die Regierung entscheidend sind.

Kommt es in Frankreich zu Neuwahlen?

Die Rechts- und Linkspopulisten haben bereits Misstrauensanträge eingereicht, über die am Donnerstagvormittag abgestimmt werden soll. Sollten die Sozialisten die Anträge unterstützen, wäre die Regierung erneut am Ende, und es würde voraussichtlich Neuwahlen geben.

Die neue französische Regierung muss bis Jahresende den dringend benötigten Sparhaushalt verabschieden. Der von Lecornu am Dienstag im Kabinett vorgestellte Entwurf umfasst Einsparungen in Höhe von etwa 30 Milliarden Euro, wie der Rechnungshof mitteilte.

"Wichtigste ist die politische Stabilität"

Im Regierungslager hatten sich zuvor die Stimmen gemehrt, die das Aussetzen der Pensionsreform forderten, um die innenpolitische Dauerkrise zu beenden. "Wir sollten die Reform bis zur Präsidentschaftswahl 2027 einfrieren", sagte der ehemalige Wirtschaftsminister Eric Lombard. "Das Wichtigste ist die politische Stabilität", fügte er hinzu.

Auch der frisch gekürte französische Mathematik-Nobelpreisträger Philippe Aghion forderte das Aussetzen der Reform, um das Land "vor einer Machtübernahme der (rechtspopulistischen Partei) Rassemblement National zu bewahren", sagte er dem Sender France Info. Die Kosten für eine fortdauernde Krise wären höher, fügte er hinzu.

Zugeständnisse an Sozialisten

Der Haushaltsentwurf Lecornus sieht vor, das französische Staatsdefizit von 5,8 Prozent des Bruttoinlandprodukts auf unter fünf Prozent zu bringen. In seiner ersten Amtszeit hatte Lecornu noch ein Defizit von 4,7 Prozent angestrebt. Dies bedeutet eine Marge von rund neun Milliarden Euro, die Lecornu etwa für Zugeständnisse an die Sozialisten nutzen könnte.

Macron hatte bei einem Treffen mit Parteivertretern in der vergangenen Woche erstmals angedeutet, dass ein Aufschieben der Pensionsreform möglich sei. Die 2023 verabschiedete Reform, die unter anderem das Pensionsalter in Frankreich schrittweise von 62 auf 64 Jahre anhebt, galt ihm bisher als eine der wichtigsten Errungenschaften seiner Amtszeit.

Macron lehnte Besteuerung der reichsten Haushalte ab

Lecornu hatte die von den Sozialisten geforderte sogenannte Zucman-Steuer abgelehnt, die eine Besteuerung der reichsten Haushalte in Höhe von zwei Prozent umfasst hätte. Der Haushaltsentwurf enthält aber eine neue Steuer auf vermögensverwaltende Holdings, die als legales Steuerschlupfloch für Wohlhabende gelten.

Der Streit um die Sparmaßnahmen angesichts der angeschlagenen Staatsfinanzen lähmt die Politik in Frankreich seit der vorgezogenen Neuwahl zum Parlament im Sommer 2024, bei der das Regierungslager seine Mehrheit in der Nationalversammlung verlor. Seither hat Frankreich eine Mitte-Rechts-Minderheitsregierung, und zwei Premierminister wurden bereits gestürzt.

Lecornu hatte angekündigt, dem Parlament das letzte Wort zu lassen und auf die Anwendung des Verfassungsartikels 49.3 zu verzichten. Dieser ermöglicht die Verabschiedung eines Gesetzes ohne abschließende Abstimmung im Parlament. Nationalversammlung und Senat haben verfassungsgemäß 70 Tage, um den Haushaltsentwurf bis zum Jahresende zu verabschieden. Sollte die Regierung stürzen, müsste ein Sondergesetz verabschiedet werden, um den aktuellen Haushalt als vorläufigen Haushalt auf das kommende Jahr zu übertragen.

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