Krise in Frankreich: Für Präsident Macron steht viel auf dem Spiel

French President Macron at the Elysee Palace in Paris
Die politische Krise in Frankreich bedroht den Präsidenten mehr und mehr. Vorerst wurden Neuwahlen abgewendet, bis Freitag soll ein neuer Premierminister ernannt werden. Doch nichts ist gelöst.

Bestens war die Stimmung bei Emmanuel Macron am Montagnachmittag bei einem Termin im Élysée-Palast, so berichteten es die Anwesenden. Betont entspannt und gutgelaunt wirkte der französische Präsident, als er dort zwei Wirtschaftswissenschaftler mit hohen Ehrungen auszeichnete. Die tiefe politische Krise, in der sein Land steckt, schien ihn wenig zu beunruhigen.

Nur wenige Minuten vorher hatte er sich zum zweiten Mal an diesem denkwürdigen Tag mit seinem Vertrauten Sébastien Lecornu abgesprochen, der erst am Morgen vom Amt als Premierminister zurückgetreten war, nach nur vier Wochen. Die Presse beschrieb diese Vorgänge als „beispiellos“, die Rufe nach neuen Parlamentswahlen und sogar einem Rücktritt Macrons wurden lauter – und zwar nicht nur wie sonst aus den Reihen der Opposition, sondern auch aus seinem eigenen Lager.

Besonders deutlich wurde sein früherer Premierminister Édouard Philippe. Angesichts des Machtverfalls müsse Macron den Weg für vorzeitige Präsidentschaftswahlen freimachen, sagte der Chef der liberalen Partei Horizons, der selbst als Kandidat für die Nachfolge ins Rennen gehen will. Philippes Worte zeigten, wie sehr der Rückhalt für den Präsidenten gesunken, wie dünn das Eis unter seinen Füßen geworden ist. Laut Umfragen wünscht sich inzwischen eine Mehrheit der Bürger Macrons Rücktritt. Nur 16 Prozent vertrauen ihm noch.

"Es gibt eine Lösung"

Der Präsident trat nicht mehr in der Öffentlichkeit auf, seit er an jenem Montagnachmittag seelenruhig für Gruppenfotos mit den Gästen posierte. Deren verwunderte Fragen zur offensichtlichen Krisenlage wiegelte er ab. „Aber ja, ich denke, es gibt eine Lösung“, versicherte der 47-Jährige. 

Das sagte auch Lecornu am Mittwochabend bei einem Fernsehinterview. Es gebe noch „Kompromiss-Möglichkeiten“. Zuvor hatte Macron seinem bisherigen Verteidigungs- und dann Premierminister aufgetragen, „allerletzte Verhandlungen“ mit den verschiedenen politischen Lagern zu führen. Sollten diese ergebnislos verlaufen, würde eine Auflösung der Nationalversammlung mit neuen Parlamentswahlen alternativlos. Dabei dürften alle politischen Kräfte außer der Rechtsaußen-Partei Rassemblement National (RN) verlieren. „Eine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung lehnt eine neuerliche Auflösung ab“, bestätigte Lecornu. 

Der 39-Jährige kündigte an, Macron werde innerhalb der nächsten 48 Stunden einen neuen Premierminister nominieren. Am Vormittag hatte er bereits angekündigt, dass es seinen bisherigen Gesprächen zufolge „einen Willen gibt, vor dem 31. Dezember dieses Jahres ein Budget zu haben“. 

Hohe Verschuldung

Sowohl mit Blick auf Frankreichs Glaubwürdigkeit, als auch hinsichtlich der gestiegenen Risikoaufschläge für französische Staatsanleihen bleibe der Abbau des Defizits von 5,8 Prozent der Wirtschaftsleistung in 2024 auf unter fünf Prozent in 2026 ein zentrales Ziel. Die öffentliche Verschuldung beläuft sich inzwischen auf 3,4 Billionen Euro – ein Rekord.

France's outgoing PM Lecornu delivers address following resignation

Sebastien Lecornu

Nach dem Versuch, einen Sparkurs einzuleiten, war erst im September Lecornus Vorgänger François Bayrou über ein Misstrauensvotum im Parlament gestürzt. Ebenso erging es Ende 2024 dem früheren EU-Kommissar Michel Barnier, einem weiteren Blitz-Premierminister.

Drei Blöcke im Parlament

Seit den überraschend von Macron angesetzten Parlamentswahlen im Sommer 2024 ist die französische Nationalversammlung in drei Blöcke zerteilt: der rechtsextreme RN als größte Einzelfraktion, die linken und grüne Parteien, die sich zu einer Allianz zusammenfanden, welche inzwischen zerbrochen ist, und das Mitte-Rechts-Bündnis hinter Macron, dem zuletzt auch die konservativen Republikaner angehörten. Klare Mehrheiten gibt es nicht mehr, aber auch kaum den Willen, Koalitionen mit politischen Gegnern zu bilden.

Die Sozialisten, von deren Duldung die Regierung ebenfalls abhängt, versicherten am Mittwoch zwar, sie seien bereit, bei der Auflösung der Blockade zu helfen. Doch sie fordern unter anderem die Rücknahme der unbeliebten Rentenreform. Lecornu äußerte sich nicht eindeutig dazu: Die Frage sei kompliziert, werde aber offen diskutiert.

Allerdings handelt es sich dabei um das einzige große innenpolitische Projekt von Macrons zweiter Amtszeit seit 2022. Er, der angetreten war, um das Land „tiefgreifend zu transformieren“, hat es in die Sackgasse geführt und dabei seinen Handlungsspielraum weitgehend eingebüßt. Wollte er die Französinnen und Franzosen mit der Politik versöhnen, wurden die Rechtsextremen unter ihm so stark wie nie. Auch hinterlässt der vermeintliche „Mozart der Finanzen“ enorme Schulden. Sie gehen überwiegend auf die großzügigen Staatshilfen während der Corona-Pandemie sowie die Deckelung der Strom- und Gaspreise während der Energiekrise zurück – beides wird ihm heute nicht gedankt. Sein Image als neoliberaler „Präsident der Reichen“ blieb haften.

„Emmanuel Macron ist sehr intelligent, außer in einem Bereich: der Politik“, spöttelte der bekannte Fernseh-Journalist Alain Duhamel. So gelöst Macron gegenüber seinen Gesprächspartnern zuletzt auch wirkte – für ihn steht viel auf dem Spiel.

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