Krise in Frankreich: Für Präsident Macron steht viel auf dem Spiel

Bestens war die Stimmung bei Emmanuel Macron am Montagnachmittag bei einem Termin im Élysée-Palast, so berichteten es die Anwesenden. Betont entspannt und gut gelaunt wirkte der französische Präsident, als er dort zwei Wirtschaftswissenschafter mit hohen Ehrungen auszeichnete. Die tiefe politische Krise, in der sein Land steckt, schien ihn wenig zu beunruhigen.
Nur wenige Minuten vorher hatte er sich zum zweiten Mal an diesem denkwürdigen Tag mit seinem Vertrauten Sébastien Lecornu abgesprochen, der erst am Morgen vom Amt als Premierminister zurückgetreten war, nach nur vier Wochen. Die Rufe nach neuen Parlamentswahlen und sogar einem Rücktritt Macrons wurden lauter – und zwar nicht nur wie sonst aus den Reihen der Opposition, sondern auch aus seinem eigenen Lager.
Besonders deutlich wurde sein früherer Premierminister Édouard Philippe. Angesichts des Machtverfalls müsse Macron den Weg für vorzeitige Präsidentschaftswahlen freimachen, sagte der Chef der liberalen Partei Horizons, der selbst als Kandidat für die Nachfolge ins Rennen gehen will. Philippes Worte zeigten, wie sehr der Rückhalt für den Präsidenten gesunken, wie dünn das Eis unter seinen Füßen geworden ist.
Ruf nach Rücktritt
Laut Umfragen wünscht sich inzwischen eine Mehrheit der Bürger Macrons Rücktritt. Nur 16 Prozent vertrauen ihm noch. Am Montagabend trug Macron Lecornu auf, in den kommenden 48 Stunden „allerletzte Verhandlungen“ mit den verschiedenen politischen Lagern zu führen. Sollten diese ergebnislos verlaufen, würde eine Auflösung der Nationalversammlung mit neuen Parlamentswahlen alternativlos. Dabei dürften alle politischen Kräfte außer der Rechtsaußen-Partei Rassemblement National (RN) verlieren. Aber reichte dieses Droh-Szenario, um Bewegung in die verhärteten Fronten zu bringen?
Zumindest verhalten optimistische Signale sandte Lecornu am Mittwochmorgen aus. Zum zweiten Mal in drei Tagen trat der Politiker vor die Presse, um anzukündigen, dass es den ersten Gesprächen zufolge „einen Willen gibt, vor dem 31. Dezember dieses Jahres ein Budget zu haben“. Sowohl mit Blick auf Frankreichs Glaubwürdigkeit, als auch hinsichtlich der gestiegenen Risikoaufschläge für französische Staatsanleihen bleibe der Abbau des Defizits von 5,8 Prozent der Wirtschaftsleistung in 2024 auf unter fünf Prozent in 2026 ein zentrales Ziel.

Sebastien Lecornu
Die öffentliche Verschuldung beläuft sich inzwischen auf 3,4 Billionen Euro – ein Rekord. Nach dem Versuch, einen Sparkurs einzuleiten, war erst im September Lecornus Vorgänger François Bayrou über ein Misstrauensvotum im Parlament gestürzt.
Ebenso erging es Ende 2024 dem früheren EU-Kommissar Michel Barnier. Seit den überraschend von Macron angesetzten Parlamentswahlen im Sommer 2024 ist die französische Nationalversammlung in drei Blöcke zerteilt: der rechtsextreme RN als größte Einzelfraktion, die linken und grüne Parteien, die sich zu einer Allianz zusammenfanden, welche inzwischen zerbrochen ist, und das Mitte-rechts-Bündnis hinter Macron, dem zuletzt auch die konservativen Republikaner angehörten. Klare Mehrheiten gibt es nicht mehr, aber auch kaum den Willen, Koalitionen mit politischen Gegnern zu bilden.
Duldung der Sozialisten
Die Sozialisten, von deren Duldung die Regierung abhängt, versicherten gestern zwar, sie wollten bei der Auflösung der Blockade helfen. Doch nach dem Gespräch mit Lecornu zeigten sie sich enttäuscht. Sie fordern eine höhere Besteuerung der Superreichen, sowie die Aussetzung der unpopulären Rentenreform aus dem Jahr 2023.
Allerdings handelt es sich dabei um das einzige große innenpolitische Projekt von Macrons zweiter Amtszeit seit 2022. Er, der angetreten war, um das Land „tiefgreifend zu transformieren“, hat es in die Sackgasse geführt und dabei seinen Handlungsspielraum weitgehend eingebüßt. Wollte er die Französinnen und Franzosen mit der Politik versöhnen, wurden die Rechtsextremen unter ihm so stark wie nie. Auch hinterlässt der vermeintliche „Mozart der Finanzen“ enorme Schulden. Sie gehen überwiegend auf die großzügigen Staatshilfen während der Corona-Pandemie sowie die Deckelung der Strom- und Gaspreise während der Energiekrise zurück – beides wird ihm heute nicht gedankt.
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