Macron: "Samtenes Lächeln, eiserne Faust"

Macron mit seiner Frau Brigitte bei einer Gedenkfeier
Am Führungsstil von Frankreichs Präsidenten scheiden sich die Geister.

Die Pariser Polit-Insider haben ihren Gebieter gefunden. Mit einer lustvollen Mischung aus Ehrfurcht und Sorge delektieren sich eingeweihte französische Medienkreise am scheinbar erbarmungslosen Führungsstil von Emmanuel Macron. Um den jungen Staatschef mit dem "samtenen Lächeln und dem eisernen Blick" (so die Zeitung Le Monde) ranken sich bereits zahllose Anekdoten, die alle besagen, dass nunmehr "eine eiserne Faust an der Staatsspitze herrscht" (Le Monde titelte).

So schreckte das konservative Blatt Figaro seine sittsamen Leser mit der Meldung, Macron habe seine versammelte Ministerriege verbal zusammengestaucht, weil Regierungsmitglieder befreundeten Journalisten ein paar inoffizielle Informationen gesteckt hatten. Sogar die kleine Schau der Eitelkeiten, der sich Generationen von Ministern unter allen bisherigen französischen Staatschefs hingaben, ist ab sofort verboten: nämlich ein kurzes Wort zu den schreienden und flehenden Journalisten im Hof des Elysée-Palasts nach dem allwöchentlichen Ministerrat.

Bis zur Erschöpfung

In den Sitzungen des Ministerrats geht es auch nicht lockerer zu: Regierungsmitglieder würden aus Angst vor Macrons Reaktionen "kein Wort wagen", berichtete das Massenblatt Le Parisien und titelte mit der bangen Frage: "Kann man noch mit dem Präsidenten reden?" Das ginge nur mehr per SMS, und zwar am besten "zwischen Mitternacht und zwei Uhr morgens". Um diese Zeit sei Macron am "reaktivsten", wie ein Präsidenten-Intimus verriet. Aber wehe, die gepostete Nachricht berge Kritik – da kann Macron den Absender gleich mal "Tage lang schneiden", wie ein Minister klagte.

Sein Berater-Netz hat Macron als eine Art Parallel-Regierung zur Überwachung und gegebenenfalls zur Umgehung der Minister aufgebaut. Dieses verschworene Team von Getreuen würde er durch einen "Wahnsinns-Arbeitsrhythmus in die Erschöpfung treiben", schreibt Le Monde. Macron habe "kein Leben, keine Gefühle", er sei "eiskalt".

Aber stimmen diese Darstellungen, oder handelt es sich auch um absichtlich gestreute Legenden über die Führungsstärke des jungen Präsidenten? Fest steht, dass Macron, der ursprünglich im Stab des vorherigen sozialistischen Staatschefs François Hollande gewirkt hatte, dort Unentschlossenheit und Entscheidungswirrwarr erlebt hatte. Einem Minister sagte Macron damals: "Wenn ich zurückkomme (an die Macht), dann werde ich das alles mit dem Eispickel zertrümmern."

Tatsächlich hat Macron in den sechs Monaten seit seinem Amtsantritt eine Flut von Beschlüssen durchgezogen, die seinem unternehmerfreundlichen Credo entspricht und den reichsten Einkommensgruppen entgegenkommt. Das Arbeitsrecht mitsamt des Kündigungsschutzes wurde weitgehend gelockert. Die Vermögenssteuer gilt nur mehr für Immobilienbesitz.

Popularität sinkt

Gleichzeitig wurden die Wohnungsbeihilfen gesenkt, die staatlich gestützten Jobs drastisch reduziert und eine allgemeine Sozialsteuer erhöht. Resultat: 65 Prozent der Franzosen sehen sich laut Umfrage als "Verlierer", nur elf Prozent als "Gewinner". Macrons Popularitätswerte sind von rund 50 auf 40 Prozent gesunken, wobei sich sein Unterstützerpotenzial von der linken Mitte ins bürgerliche Milieu verlagert hat.

Im Umkreis von Macron hofft man, dass sich die Stimmung ab 2018 verbessern werde, weil dann Ausgleichsmaßnahmen für mittlere und niedrigere Einkommensbezieher wirksam werden. Vor allem aber ist Macron davon überzeugt, dass er nur durch Entrümpelung des Behördendickichts und steuerliches Entgegenkommen die lahmende Investitionsbereitschaft ankurbeln kann. Nur so sei die Schlacht gegen Frankreichs soziales Grundübel zu gewinnen – eine chronische Arbeitslosenrate von rund zehn Prozent und weit darüber in den abgehängten Randvierteln.

Gerade in solchen Brennpunktvierteln löst Macron unter jungen Menschen aus arabischen und afrikanischen Familien noch Begeisterung aus, wie jüngste Besuche des Staatschefs zeigten. Dabei spielt seine betont verständnisvolle Haltung gegenüber dem Islam eine Rolle, ebenso die Absenkung der Klassenschülerzahl auf zwölf in sozial benachteiligten Zonen. Vor allem aber hat Macron mit seinem Versprechen, unternehmerische Selbstständigkeit zu fördern, Hoffnungen bei einem Teil der Vororte-Jugend geweckt, die an die herkömmlichen Industrie- und Sozialstaats-Muster nicht mehr glauben.

Le Pen ging die Luft aus

Macrons Gegenspielern ist einstweilen die Luft ausgegangen. Von Marine Le Pen und ihrer zerstrittenen Nationalistenpartei hört man kaum noch etwas. Und der Linkstribun Jean-Luc Melenchon zeigte sich nach jüngsten Demo-Flops entmutigt. Macron habe diese "erste Runde gewonnen", gestand Melenchon.

Bleiben Misstöne um Macrons "Partei". Die "Republik auf dem Marsch" (LRM) ist eine lose Bewegung mit kaum aktiver Präsenz. Das "Partei-Parlament" wählte am Samstag Christophe Castaner zum Parteichef. Weil der bereits Staatssekretär und Regierungssprecher ist und seine Nominierung zum Parteiboss von Macron vorbestimmt wurde, gab es Häme. 100 (von angeblich 386.000) Mitgliedern traten aus. Damit kann Macron leben. Die meisten seiner Mitstreiter, und seien es Minister, sind den Franzosen sowieso nicht einmal namentlich geläufig.

Kommentare