Polizei am äußersten Limit

Terrorgefahr, EURO-Hooligans, linke Demonstrationen mit Gewalttätern (Bild): Die französische Polizei ist im Mehrfronteneinsatz.
Dschihadisten, Hooligans, Demo-Randalierer, unruhige Vororte-Jugend.

"Alle Leute hassen die Polizei", hatten Teilnehmer des Pariser Großaufmarsches der Gewerkschaften gegen die Arbeitsmarkt-Reform am Dienstag gerufen. Hunderte vermummte Jugendliche hatten Auslagen eingeschlagen und Polizeitrupps mit Flaschen und Baumaterial beworfen, das von Fassaden abgeschlagen worden war.

Polizei-Sondereinheiten schossen mit Tränengasgranaten, verletzte Demonstranten gingen zu Boden, auch Gewerkschafter stimmten in die Anti-Polizei-Sprechchöre ein. Die Straßenschlacht verlagerte sich vor das Pariser Kinderspital Necker. Randalierer schlugen Fensterscheiben ein, hinter denen operiert wurde. Familien mit kranken Kindern flüchteten in Panik. Im Spital befand sich zu diesem Zeitpunkt auch das dreijährige Kind jenes Polizisten-Paars, das in der Nacht zuvor von einem Dschihadisten ermordet worden war.

Rand der Belastbarkeit

Tags darauf drohte Staatschef François Hollande, man werde keine weiteren Demos der Gewerkschaften erlauben, sollte die "Sicherheit von Personen und Eigentum" nicht mehr gewährleistet sein. Dass sich eine linke Staatsführung zu so einem Schritt entschließt, ist auch ein Zeichen dafür, wie sehr die Sicherheitskräfte an den Rand ihrer Belastbarkeit geraten sind.

Seit Jänner 2015, also den Terroraktionen gegen das Magazin Charlie-Hebdo und einen jüdischen Lebensmittelmarkt, hat der Druck nie mehr nachgelassen. Die Gemetzel der Dschihadisten vom November 2015 schockten weltweit, aber zuvor und danach gab es Dutzende kleinere Einzel-Attentate und gescheiterte Anschlagsversuche. Im Rahmen des von der Regierung verhängten Ausnahmezustands mussten Tausende Wohnungen durchsucht werden.

Die Liste potenzieller Terrorziele verlängerte sich ständig, von jüdischen Einrichtungen auf Kirchen, öffentliche Schulen, Ämter, Bahnhöfe. Zwar wurden zusätzlich 10.000 Soldaten zur Bewachung mobilisiert, aber die Hauptlast verbleibt auf den Schultern der 143.000 Polizisten und 95.000 Gendarmen.

Bereits vor der EURO hatten immer mehr Polizisten über Burn-out geklagt, Urlaube mussten laufend verschoben werden, die Bezahlung von 20 Millionen Überstunden ist ausständig.

Unter dem bürgerlichen Ex-Staatschef Nicolas Sarkozy gab es Postenabbau (durch Nicht-Ersetzung der Hälfte der Beamten, die in den Ruhestand traten). Hollande will das wieder wettmachen. Aber die angelaufene Ausbildung von 5000 Polizei-Rekruten braucht Zeit.

Jetzt müssen EURO-Hooligans, erhöhte Terrorgefahr, Straßenblockaden und Dauerdemos der Gewerkschaften in Begleitung von gewalttätigen Gruppen bewältigt werden. Aber was geschieht, wenn sich die zurzeit eher sporadischen Jugendkrawalle in Vororten ausbreiten? Das ist die gefährlichste Herausforderung, weil sich in einigen Siedlungen Attacken von Jugendbanden und Übergriffe von Polizisten gegenseitig aufschaukeln.

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