Zwischen Le Pen und Strauss-Kahn

Marine Le Pen hat Aufwind, am populärsten ist aber der gestrauchelte Ex-Politiker.

Wir haben alles ausprobiert, erst Sarkozy, dann Hollande. Alle haben sie uns enttäuscht. Jetzt versuchen wir halt Marine Le Pen". Der Satz klingt ein wenig nach defätistischer Beliebigkeit und kommt wie eine Leier etlichen Wählern über die Lippen, die am vergangenen Sonntag, im ersten Durchgang der landesweiten Gemeindewahlen, für die "Front national" (FN) gestimmt haben. An diesem Sonntag, im Zuge des zweiten Wahlgangs, werden die Ergebnisse der FN neuerlich die Berichterstattung in und aus Frankreich beherrschen.

Dabei steht inzwischen weitgehend fest, dass die unabwendbare Niederlage der regierenden Sozialisten um Präsident François Hollande auf einen klaren Sieg des liberal-konservativen Oppositions-Bündnisses hinauslaufen wird – ohne der geringsten Zuhilfenahme der Nationalpopulisten von Marine Le Pen.

Aber das Aufsehen, das die FN erregt, bleibt berechtigt, solange es nicht in eine hysterische Überbewertung umschlägt. Im ersten Wahlgang kam die FN in den Städten, in denen sie antrat, auf 14,8 Prozent. Das ist deutlich mehr als bei bisherigen Kommunalwahlen, aber weniger als sie bereits bei anderen Wahlen erzielte, und auch nicht viel mehr als das Ergebnis der französischen Grünen. Außerdem brachte die FN, die weiterhin als anrüchig gilt, nur in sechs Prozent der französischen Gemeinden Kandidatenlisten zustande.

Allerdings kam die FN in 19 Städten mittlerer Dimension (über 10.000 Einwohner) im ersten Durchgang auf Platz eins. Bei Abschluss des zweiten Durchgangs könnte die FN ein halbes Dutzend Städte (von insgesamt fast 10.000) erobert haben. 1995 hatte diese Partei aber bereits eine vergleichbare Zahl an Gemeinden errungen, und später, im Zuge von Misswirtschaft und Skandalen, wieder verloren.

Jetzt ist aber eine Akzeptanz für die FN spürbar, die es in den 1990er-Jahren, unter Führung ihres Vaters, Jean-Marie Le Pen, nicht gab. Das hängt einerseits damit zusammen, dass Marine Le Pen ihrer Partei einen moderateren Anstrich verpasste und rechtsradikale Parteikader mit Auftrittsverbot belegte. Der Hauptgrund für die Dynamik der FN liegt aber in der Verunsicherung der moderaten Großparteien, und allen voran der regierenden Sozialisten.

Längste Krise seit 1945

Zwischen Le Pen und Strauss-Kahn
French President Francois Hollande (R) arrives to welcome Chinese President before a military ceremony at the Hotel des Invalides in Paris, March 26, 2014. President Xi Jinping is in France for a three-day visit. REUTERS/Patrick Kovarik/Pool (FRANCE - Tags: POLITICS)
Keine Maßnahme scheint gegen das Industrie-Sterben und die chronisch hohe Arbeitslosenrate zu greifen. Mit wenigen Unterbrechungen leidet Frankreich schon seit fast 30 Jahren an einer rund zehn prozentigen Arbeitslosenrate, bei Jugendlichen fiel sie nie unter 20 Prozent. Seit 2007 sinkt die durchschnittliche Kaufkraft. Die Sozialforscherin Pascale Hebel konstatiert: "Das ist die längste Krise seit Kriegsende. Junge, Alte und vor allem Frauen erleiden eine Zwangsaskese. 35 Prozent der Franzosen müssen ihren Fleischkonsum reduzieren." Sparmaßnahmen verstärkten den sozialen Niedergang der Speckgürtel und Provinzstädte, ohne dass sich anderwärts eine Unternehmensdynamik oder Steuerreduktionen ergaben. Mit einem wirtschaftspolitischen Schlingerkurs erzeugte Hollande erst recht das Gefühl, Frankreich treibe steuerlos durch die tosende Globalisierung.

Sehnsucht nach Autorität

Zwischen Le Pen und Strauss-Kahn
Marine Le Pen, France's far-right National Front political party leader, reacts during a news conference at the party headquarters in Nanterre, March 25, 2014. France's far-right National Front (FN) made gains in a number of towns in the first round of local elections on Sunday. The French will go to the polls to cast votes in the second round 2014 Municipal elections on March 30 to elect city mayors and councillors for a six-year term. REUTERS/Charles Platiau (FRANCE - Tags: POLITICS ELECTIONS)
Marine Le Pen bedient die Sehnsucht nach Autorität und Orientierung, aber den allermeisten Franzosen sind weder ihre Partei noch ihre national-sozialen Versprechen geheuer (Hebung des Lebensstandards durch Euro-Austritt und EU-Auflösung, mehr Beamte und Rückkehr zum Rentenantritt ab 60 trotz Abgabensenkungen). Der Hang zu Tagträumen bleibt aber weit verbreitet. Ein seriöses Meinungsforschungsinstitut fragte kürzlich, welche Persönlichkeit als Präsident "erfolgreicher als Hollande handeln würde"?

Die meisten Befragten, nämlich 56 Prozent, entschieden sich für Dominique Strauss-Kahn – also jenen vormaligen SP-Spitzenpolitiker, der als Präsident des Internationalen Währungsfonds in New York wirkte und dort seinen definitiven Karriereknick 2011 erlitt. Unter dem Verdacht, er habe eine Hotelbedienstete vergewaltigt, wurde Strauss-Kahn festgenommen. Das Strafverfahren wurde zwar unter Verweis auf mangelnde Glaubwürdigkeit der Klägerin eingestellt. Um einem Prozess vor einem Zivilgericht zu entgehen, bei dem weitere Frauen gegen ihn ausgesagt hätten, musste er aber in eine Abfindung der Klägerin einwilligen.

DSKs nahtloser Übergang zur neuen Freundin

Die starke Ehefrau Anne Sinclair hatte in einer demütigenden Zeit zumindest öffentlich zu ihm gehalten. Als der Sex-Skandal juristisch durchgestanden war, gab sie offiziell die Trennung bekannt.

Es dauerte nur zwei Wochen, bis im Herbst 2012 im französischen Klatschmagazin VSD die ersten Fotos von DSK mit seiner neuen Freundin auftauchten. Myriam L’Aouffir (44) heißt die – gar nicht mehr so neue – Frau an Dominique Strauss-Kahns Seite. Offiziell präsentierten sich die beiden erstmals im Mai 2013 auf dem Roten Teppich der Filmfestspiele in Cannes.

VSD zahlte später 23.000 Euro Schadenersatz an DSK und L’Aouffir. Gestern wurde das Magazin Closer für die Berichterstattung über die angebliche Affäre von Präsident Hollande verurteilt. Das Blatt muss 15.000 Euro an die angebliche Geliebte Julie Gayet zahlen.

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