Frankreich: Streik erlahmt aber Streikende bleiben populär

Frankreich: Streik erlahmt aber Streikende bleiben populär
Die wichtigsten Häfen Frankreichs sind nach wie vor blockiert.

Der Streik der französischen Eisenbahner und Bediensteten der Pariser Öffis gegen eine Pensionsreform dürfte nun doch, sechs Wochen nach seinem Beginn, zerbröseln. Allerdings gibt die diesbezügliche Stimmung in der Bevölkerung Rätsel auf.

Laut jüngster Umfrage befürwortet zwar eine Mehrheit von 57 Prozent der Befragten das Ende des Streiks. Im Pariser Großraum, wo der Ausfall etlicher S-Bahnen, Metro-Linien und Busse bis zuletzt Millionen Pendler fürchterlich quälte, wünschen 66 Prozent die Beendigung des Ausstands.Aber gleichzeitig halten landesweit 66 Prozent den Streik gegen die Rentenreform für „gerechtfertigt“ – das sind sogar fünf Prozent mehr als bei einer Erhebung eine Woche zuvor.

Die Erklärung für diesen vordergründigen Widerspruch: Viele Franzosen sind wegen des anhaltenden Streik-Chaos besorgt, aber noch mehr fürchten das Reformprojekt der Staatsführung. Präsident Emmanuel Macron hatte ursprünglich angekündigt, er wolle aus Gründen der Gerechtigkeit Frankreichs 42 unterschiedliche Pensionskassen durch ein gemeinsames System mit einheitlichen Entgelt-Punkten als Berechnungsgrundlage der Pensionshöhe ersetzen. Inzwischen aber sehen die meisten Franzosen darin bloß ein Mittel für eine drastische Senkung ihrer Pensionen.

Wegen des Streiks verzichtete die Regierung vorläufig auf die von ihr geplante Anhebung des Antrittsalters für eine Vollpension von bisher 62 auf 64 Jahre. Dafür sind viele Franzosen den Eisenbahnern dankbar. Zwei gemäßigte Gewerkschaftsbünde (es gibt in Frankreich sieben rivalisierende) wollen den Streik aussetzen.

Die Streikbasis und die radikaleren Gewerkschaften, die die gesamte Reform kippen möchten, verlieren schrittweise ihr wichtigstes Druckmittel: viele Lokführer können es sich nicht mehr leisten, weiter zu streiken, weil die zersplitterten und daher finanziell schwächlichen Gewerkschaften für die Gehaltsverluste ihrer streikenden Mitglieder nicht aufkommen können. Die Bewegung soll durch eine Ausweitung auf andere Berufskategorien fortgesetzt werden: Aber außer den Dockern, die die wichtigsten Häfen Frankreichs blockieren, gibt es kaum so wirksame Kräfte wie die Eisenbahner in der Schlacht mit Macron.

Rüge für die Polizei

Dass sich Macron jetzt sicherer fühlt, könnte auch ein Grund dafür sein, dass er erstmals die Polizei für „inakzeptable Verhaltensweisen“ gerügt und strengere Regeln gegen Polizei-Übergriffe in Aussicht gestellt hat. Während der „Gelbwesten“-Unruhen im Vorjahr waren dutzende Demonstranten durch Hartgummi-Geschoße schwer verletzt worden. Aber auch bei den viel friedlicheren jüngsten Gewerkschaftsdemos wurden Beamte gefilmt, die auf Teilnehmer grundlos einprügeln. Anfang Jänner hatten vier Polizisten nach einem Wortgeplänkel bei einer Verkehrskontrolle auf einem 42-jährigen Motorrad-Boten gekniet und ihn dabei erstickt.

 

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