Frankreich: Staatsaffäre“ oder „blöde G’schicht“?
Für Frankreichs Medien ist „die Staatsaffäre“ um Alexandre Benalla, dem gestrauchelten Sicherheits-Beauftragten von Präsident Emmanuel Macron, der Knüller, der sogar die „Tour de France“ in den Schatten stellt. Für die Opposition, ausnahmsweise vereint von ganz links bis ganz rechts, ist es die langersehnte Revanche gegen den forschen Präsidenten.
In der Bevölkerung fragen sich viele allerdings, ob es sich nicht um eine (wie man in Österreich sagen würde) „blöde G‘schicht“ mit vergleichsweise wenig Aussagekraft handelt.
Das kommt dem Staatschef zupass, der mit einer schneidigen Volte vor Abgeordneten seiner Partei sein bisheriges Schweigen brach: „Wenn sie (Opposition und Medien) einen Verantwortlichen suchen, dann sollen sich mich doch holen kommen. Der Schuldige bin ich alleine“, rief Macron. Auch in einer „beispielhaften Republik“ (ein Wahlslogan von Macron) würden „Fehler“ passieren. Er habe Benalla vertraut, dieser habe ihn aber am 1.Mai „verraten“.
Am 1.Mai hatte sich Benalla einer Polizei-Einheit angeschlossen, die gegen linke Demonstranten vorging. Benalla, obwohl kein Beamter, hatte sich eine Polizei-Armbinde übergestreift und einen bereits knienden Demonstranten misshandelt. Ein Videofilm des Vorfalls zirkulierte im Web, aber die Medien identifizierten Benalla erst in der Vorwoche.
Seither erzwang die Opposition den Abbruch der laufenden Parlamentsdebatte und den Start einer Untersuchungskommission, die seit Montag Innenmister Gérard Collomb und den Kabinettschef von Macron in die Mangel nahm. Die Kernfrage lautet: weshalb wurden die strafbaren Handlungen von Benalla nicht sofort der Staatsanwaltschaft gemeldet, wie es das Gesetz vorschreibt?
Der Innenminister wälzte die Schuld auf das Präsidentenamt ab. Macrons Kabinettschef erklärte, er habe Benalla 14 Tage suspendiert, für eine Anzeige hätten die Beweise gemangelt. Aber Benalla stand auch nach seiner „Suspendierung“ Macron auffällig zur Seite. Gekündigt wurde er erst nach den Medien-Enthüllungen und dem darauf folgenden Justizverfahren.
Daran knüpfen sich weitere Fragen: wie konnte der erst 26 jährige Benalla, der für seine Aufschneiderei und Unbeherrschtheit bekannt war, im Präsidentenamt eine Vorrangstellung gegenüber den eigentlichen Sicherheitsbeamten erringen? Wie konnte er Zutritt zu Schaltstellen im Polizeipräsidium und möglicherweise auch im Verteidigungsbereich erlangen?
Kein „Geliebter“
Solche Fragen fegte Macron mit Ironie vom Tisch: Benalla habe „nie über den Nuklear-Code (die Befehlsformel für Frankreichs Atomwaffen) verfügt“. Auch die Gerüchte über eine homosexuelle Liaison dementierte der Staatschef mit Humor: „Alexandre Benalla ist nicht mein Geliebter“.
Die Bevölkerung dürfte Macron nicht alle Erklärungen abnehmen. Aber die Bereitschaft dürfte da sein, Macrons Kampfgeist zu honorieren und sich anderen Themen zuzuwenden.
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