Frankreich: Schlacht um Arbeitsmarkt-Reform zerreißt Linke

Demonstration gegen die Arbeitsmarkt-Reform in Paris
Streiks und LKW-Blockaden gegen SP-Regierung.

Es ist ein inner-linker Kampf auf Biegen und Brechen zwischen zwei gleichermaßen geschwächten Kampfparteien, nämlich der sozialistischen Staatsführung und den Gewerkschaften, der diese Woche Frankreichs Wirtschaftsalltag lahm legen könnte. Eine Mehrzahl der französischen Gewerkschaften und linke Jugendbewegungen wollen noch einmal all ihre Kräfte in die Waagschale werfen, um doch noch die Arbeitsmarkt-Reform der sozialistischen Regierung zu Fall zu bringen.

Premierminister Manuel Valls konnte zwar das neue Arbeitsgesetz, das weder die Unternehmerverbände noch die Arbeitnehmervertreter befriedigt, am vergangenen Donnerstag im Nationalrat durchboxen. Der SP-Regierungschef musste aber auf einen Sonderparagraphen zurückgreifen (er stellte die sogenannte „Vertrauensfrage“). Damit vermied Valls eine direkte Abstimmung über das Gesetz, die er wegen der Widerstände des linken SP-Flügels vermutlich verloren hätte.

Spaltungsprozess der französischen SP

Tatsächlich hatte am Donnerstag, parallel zu einem Misstrauensantrag der bürgerlichen Opposition (der erwartungsgemäß nicht die nötige Mehrheit erhielt), auch der linke Flügel der sozialistischen Parlamentsfraktion versucht, einen eigenen Misstrauensantrag einzubringen. Dieser Antrag kam zwar nicht zur Abstimmung, weil die erforderliche Zahl der Antragssteller nicht erreicht wurde (es fehlten allerdings nur mehr die Unterschriften von zwei Parlamentariern). Aber allein der Umstand, dass dutzende SP-Abgeordnete erstmals bereit waren, für einen Misstrauensantrag gegen die eigenen Regierung zu stimmen und dadurch möglicherweise ihren Rücktritt herbeizuführen, zeugt davon, wieweit bereits der Spaltungsprozess innerhalb der französischen Sozialisten gediehen ist.

Wegen dieser offensichtlichen Schwäche der Regierung, und weil dieses Gesetz nach einer Prüfung durch den Senat noch einmal dem Nationalrat im Juli zur Abstimmung vorliegen wird, hoffen die linken Gesetzes-Gegner doch noch auf einen Sieg. Dabei zehren sie nach monatelangen Protesten selber an ihren letzten Kräften: zu ihren Demos in der Vorwoche kamen deutlich weniger Teilnehmer als sonst. Dafür traten gewalttätige Gruppen in den Vordergrund, überrannten in Paris den Ordnerdienst der Gewerkschaften, attackierten die Polizei, verwüsteten in der Provinz Einkaufsviertel und einen Bahnhof.

Frankreichs Wirtschaft lahmlegen

Die Gewerkschaften wollen jetzt Bahn, Energieversorgung und Häfen tagelang lahmlegen. Schon am Montag begannen Straßenblockaden durch LKW-Lenker. Eine Klausel des neuen Arbeitsgesetzes ermöglicht Unternehmern via innerbetriebliche Vereinbarungen eine deutliche Senkung des Überstundenzuschlags (von bisher 25 auf 10 Prozent des normalen Stundenlohns). Im Fall der Fernfahrer, die besonders viele Überstunden verrichten, würde das empfindliche Einkommensverluste (über 3000 Euro pro Jahr) bedeuten.

Das ist auch der Kernvorwurf der linken Kritiker: demnach könnten innerbetriebliche Vereinbarungen Kollektiv-Verträge und sogar Gesetze aushebeln. Die Gewerkschaften sehen darin eine Anstachelung zu allgemeiner Lohndrückerei. Die Regierung betont hingegen, sie habe Maßnahmen gegen Missbrauch vorgesehen: innerbetriebliche Sonderregelungen sind an Bedingungen geknüpft, wie etwa die Bewahrung von Arbeitsplätzen oder Schaffung neuer Jobs. Außerdem soll ein behördliches Überwachungskomitee diese Vereinbarungen kontrollieren. Das vorgeschriebene gewerkschaftliche Vertretungsrecht in Kleinbetrieben wird verstärkt.

Genau daran stoßen sich wiederum die Unternehmerverbände. Außerdem sind sie über die wichtigste Kompensationsmaßnahme, die die SP-Regierung den Arbeitnehmern bietet, erbost: ein „persönliches Sozialrechtskonto“, das den Arbeitnehmern über Jobwechsel und prekäre Anstellungsverhältnisse hinweg helfen soll. Die Unternehmersprecher befürchten dadurch einen administrativen Mehraufwand und steuerliche Belastungen.

Ebenfalls ein Ärgernis für die Unternehmerverbände: die ursprünglich von der Regierung geplante Obergrenze für Entschädigungszahlungen, zu denen Arbeitsgerichte Unternehmer bei „willkürlichen Entlassungen“ verdonnern können, wurde wieder fallen gelassen. An dieser Entschädigungs-Obergrenze übten auch Konsumentenverbände Kritik. Sie befürchteten, dies könnte die Kündigung von Dienstnehmern fördern, die die Öffentlichkeit über Verfehlungen im jeweiligen Unternehmen (beispielsweise Fälle besonderer Tierquälerei in Schlachthäusern) informieren.

Schwer lesbarer Kompromiss

Auf Druck der Gesetzeskritiker in den eigenen Reihen nahm die SP-Regierung auch wieder einen Passus zurück, der es multinationalen Konzernen erleichtert hätte, etwaige Pläne zum Personalabbau mit geringeren Folgekosten durchzuziehen. In der Endfassung des Gesetzes bleibt, wie bisher, die Gesamtlage des Konzerns maßgeblich, also auch seine Situation im internationalen Maßstab. Die Regierung wollte ursprünglich nur mehr die Geschäftsbilanz in Frankreich als Bemessungsgrundlage für Entlassungen heranziehen – das war als vertrauenserweckendes Signal für internationale Großfirmen gedacht.

Im Finalzustand ist dieses Gesetz ein schwer lesbarer Kompromiss zwischen dem Bemühen um mehr Spielraum für Unternehmerinitiative und dem Bewahren sozialer Schutzbestimmungen. Aus der Sicht der bürgerlichen Opposition handelt es sich um Flickwerk, auch wenn ihre eigenen Vorschläge zur Behebung der Wachstums- und Jobkrise zu einem beträchtlichen Teil bereits in diesem Gesetz der SP-Regierung enthalten sind. Die aktivsten Teile der SP-Basis betrachten diese Arbeitsmarkt-Reform hingegen als historischen Rückschritt. Die einstige Anhängerschaft von Präsident Francois Hollande ist zutiefst gespalten. Die Niederlage der Linken bei den Präsidentenwahlen 2017 scheint vorprogrammiert.

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