Frankreich: Mit Verhüllungs-Verbot schielt ein Minister aufs Präsidentenamt

Frankreich: Mit Verhüllungs-Verbot schielt ein Minister aufs Präsidentenamt
Mit seiner Ankündigung eines Verhüllungs-Verbotes macht der erst 34-jährige Erziehungsminister von sich reden – wohl auch schon mit Blick auf die Präsidentschaftswahl

Frisch im Amt, machen Erziehungsminister in Frankreich gerne effektvolle Ankündigungen, um ihre eigene Vision von der Zukunft der Schule zu präsentieren. Das ist bei Gabriel Attal nicht anders, oder vielmehr: Es ist mehr denn je so.

Jüngster Politiker

Bei der jüngsten Regierungsumbildung im Juli stieg der 34-jährige bisherige Budgetminister zum Chef des Erziehungsressorts auf, als jüngster Politiker der Fünften Republik in diesem schwierigen Amt.

Frankreich: Mit Verhüllungs-Verbot schielt ein Minister aufs Präsidentenamt

Erziehungsminister Attal

Dort legte er einen spektakulären Start hin, indem er am Sonntagabend bei einem Fernsehinterview ankündigte, das Tragen von Abayas in den französischen Schulen zu verbieten. Seitdem debattiert das Land über die langen, weiten Übergewänder, die muslimische Frauen im arabischen Raum, aber zunehmend auch französische Teenager tragen.

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„Kein Platz in Schulen“

„Die Abaya hat keinen Platz in unseren Schulen“, stellte Attal mit striktem Ton klar. Denn das Kleidungsstück sei nichts anderes als eine „religiöse Geste“ und man müsse die Schulen „vor religiösem Bekehrungseifer schützen.“ Seit 2004 verbietet das laizistische Frankreich, wo Religion und Staat traditionell strikt getrennt sind, das Tragen von Kopftüchern und anderen konfessionellen Zeichen wie der Kippa oder größeren Kreuzen in schulischen Einrichtungen.

Erlaubte Länge

Ob auch die Abaya dazu zählt, galt bislang als unklar. Schulleiter hatten zuletzt immer lauter nach einer eindeutigen Regelung gerufen. Diese verweigerte Attals Vorgänger Pap Ndiaye mit dem Argument, er wolle „keine endlosen Kataloge über die erlaubte Länge von Kleidern veröffentlichen“.

„Attals Vorstoß ist ein politischer, um sich von Ndiaye abzuheben. Dieser Spezialist für die Geschichte schwarzer Minderheiten war zur Zielscheibe der bürgerlichen und extremen Rechten geworden. Zugleich lässt sich Attals Vorgehen als Versuch werten, eine selbstbewusste Haltung gegenüber Präsident Emmanuel Macron an den Tag zu legen, der gerade erst in einem langen Interview mit der Zeitschrift Le Point mehrere Ankündigungen zur Schulpolitik gemacht hatte, so als fielen diese Fragen in die Zuständigkeit des Präsidenten. Macrons Ehefrau Brigitte war Lehrerin.

Machtkämpfe

Nicht zuletzt stahl Attal mit seinem Vorpreschen am Sonntag ausgerechnet Innenminister Gérald Darmanin die Schau, der am selben Tag eine Großveranstaltung in seiner nordfranzösischen Hochburg Tourcoing organisierte. Der innenpolitische Hardliner Darmanin macht keinen Hehl aus seinem Ehrgeiz, bei der nächsten Präsidentschaftswahl 2027 Macron zu beerben. Dieser darf laut Verfassung nicht ein drittes Mal in Folge antreten. Doch es gibt im Mitte-Rechts-Lager auch andere Aspiranten auf das höchste Amt Frankreichs – darunter der redegewandte Attal, den Macron in seiner ersten Regierungszeit zum Sprecher gemacht hatte.

Rascher Aufstieg

Während Darmanin auf seine bescheidene Herkunft setzt, um Nähe zur einfachen Bevölkerung herzustellen, hat Attal wie viele Politiker in Frankreich eine elitäre Ausbildungslaufbahn vorzuweisen. Nach dem Abitur an der noblen Pariser Privatschule École Alscacienne studierte er an der Eliteuniversität Sciences Po, stieg direkt im Anschluss in die Politik ein, wurde mit nur 23 Jahren Berater der sozialistischen Gesundheitsministerin Marisol Touraine, mit 28 Staatssekretär, mit 33 Minister.

Gemeinsam mit seinem Lebensgefährten Stéphane Séjourné, der Chef der Regierungspartei Renaissance ist und als EU-Abgeordneter die Renew-Gruppe im Europaparlament leitet, bildet er ein mächtiges politisches Paar. Noch erscheint der Zeitpunkt zu früh, um offen in den Ring im Kampf um Macrons Nachfolge einzusteigen. Doch dass er es schafft, von sich reden zu machen, hat Gabriel Attal nun gezeigt. Es war wohl nicht das letzte Mal.

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