Frankreich: Le Pen knapp vor Macron
Es ist nur ein knapper Vorsprung, den der „Rassemblement National“ (RN, vormals „Front National“) von Marine Le Pen gegenüber der Liste von Präsident Emmanuel Macron erzielte: Laut ersten Hochrechnungen kam der RN auf rund 23 Prozent, die „République en marche“ (LRM) von Macron folgte mit rund 22 Prozent. Aber dieser Abstand reicht für eine große symbolische Wirkung. Der liberale Staatschef hatte den Urnengang zur Entscheidungsschlacht zwischen ihm und der Nationalistin stilisiert, während Le Pen ihrerseits von einer „Volksabstimmung über Macron“ sprach.
Macron wird jetzt sicher nicht zurücktreten, wie es Marine Le Pen fordert, aber sein Handlungsspielraum für den Rest seiner Präsidentschaft (bis 2022) ist vorerst eingeschränkt und seine Initiativkraft als Erneuerer auf EU-Ebene etwas gedämpft.
Allerdings hatten sich zuletzt auch Spitzen seiner Partei auf eine relativierende Lesart dieses vorhersehbaren Ergebnisses eingestellt. Mittelfristig wird eine Regierungsneubildung erwartet, auch Premierminister Edouard Philippe könnte ausgewechselt werden.
Klassenhass
Das eigentliche Problem für Macron heißt: Macron. Meinungsforscher hatten schon im Voraus konstatiert, dass das persönliche Engagement von Macron im Wahlkampf eher kontraproduktiv war, weil es seine Gegner, vor allem in den einkommensschwachen Schichten, in höherem Maß als ursprünglich erwartet zu den Wahlurnen trieb.
Tatsächlich schlägt Macron ein tiefgehender Klassenhass entgegen, den er durch arrogante Sprüche selber befeuerte. Deswegen wurden auch die sozialen und ökologischen Akzente, die er zuletzt setzte, von vielen kaum wahrgenommen. So konnte der seit November andauernde Protest der „Gelbwesten“ trotz Ausschreitungen die Sympathie von mindestens der Hälfte der Bevölkerung bewahren.
Macrons Rückstand gegenüber Le Pen sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die rechtsnationalen Anti-EU-Kräfte insgesamt keinen Zuwachs verbuchten. Zusammengerechnet kamen der RN und weitere rechte Gruppen nicht einmal auf 30 Prozent. Die Partei von Le Pen verlor einen Prozentpunkt, nachdem sie bei den EU-Wahlen 2014 bei 25 Prozent gehalten hatte.
Grüne im Aufwind
Die eigentliche Überraschung lieferten die französischen Grünen, die auf 13 Prozent kamen und offensichtlich einen beträchtlichen Teil der von Macron enttäuschten linksökologisch orientierten Wähler gewinnen konnten. Macron hatte die Gefahr heraufziehen gesehen, und deshalb zuletzt spektakuläre Öko-Ansagen gehäuft, die aber nicht glaubwürdig genug erschienen. 2014 waren die Grünen gerade einmal auf 9 Prozent gekommen, Umfragen hatten ihnen diesmal weniger als acht Prozent vorhergesagt.
Damit überrundeten die Grünen die konservativen „Republikaner“ (Schwesterpartei der ÖVP), die auf enttäuschende 8,5 Prozent absackten (2014: 20 Prozent). Die Bewegung des Linksaußen-Tribuns Jean-Luc Melenchon und die Sozialisten grundelten jeweils bei 6,5 Prozent. Für die SP ist das ein tiefer Fall: noch vor zwei Jahren stellten sie den Staatschef, die Regierung, die absolute Parlamentsmehrheit und die meisten Regionalverwaltungen.
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