Frankreich: Justiz sieht sich Minister Ferrand an

Richard Ferrand.
Vorermittlungen gegen Vertrauten von Macron nach Vorwürfen der Vetternwirtschaft.

Eine Woche vor der Parlamentswahl hat die französische Staatsanwaltschaft Vorermittlungen gegen den Minister für territorialen Zusammenhalt, Richard Ferrand, angekündigt. Hintergrund seien eine Reihe von Medienberichten über ein etwaiges Fehlverhalten bei Finanzgeschäften, erklärte der Staatsanwalt von Brest am Donnerstag.

Ferrand wird vorgeworfen, vor sechs Jahren als Generaldirektor der Krankenversicherung Mutuelles de Bretagne die Firma seiner Lebensgefährtin bei einem Immobiliengeschäft bevorzugt zu haben. Die Versicherung hatte damals ein Gebäude zur Anmietung gesucht, in dem sie ein Gesundheitszentrum errichten wollte. Das Immobilienunternehmen von Sandrine Doucen bekam den Zuschlag, was ihr wiederum erst den Kredit für den Ankauf des entsprechenden Gebäudes sicherte.

Die vom investigativen Satireblatt "Le Canard Enchaine" aufgedeckte Affäre lastet schon seit Tagen auf der Regierung von Frankreichs neuem Staatschef Emmanuel Macron. Dieser hatte im Wahlkampf versprochen, "mehr Moral in der Politik" durchsetzen zu wollen. In Frankreich wird am 11. und 18. Juni ein neues Parlament gewählt. Vom Wahlergebnis hängt ab, ob Macron für seine Politik eine ausreichende Mehrheit in der Nationalversammlung bekommt.

Am vergangenen Freitag hatte die Staatsanwaltschaft von Brest noch bekannt gegeben, keine Ermittlungen gegen Ferrand unternehmen zu wollen. Präsident Macron und Premier Edouard Philippe hatten sich immer wieder hinter den Minister gestellt. Der 54-Jährige hat jedes Fehlverhalten dementiert und einen Rücktritt abgelehnt. Allerdings fordern einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage des Instituts Harris zufolge 70 Prozent der Franzosen genau diesen Schritt.

Ferrand gilt als enger Vertrauter Macrons und hatte sich als einer der Ersten dessen 2016 gegründeter Bewegung En Marche! angeschlossen. Er wurde dann dessen Generalsekretär und war zwischenzeitlich als Ministerpräsident im Gespräch. Der frühere Sozialist stammt aus der Arbeiterschicht und sammelte vor seiner Ernennung in der Regierung unter anderem politische Erfahrungen als Parlamentsabgeordneter und Kabinettsberater.

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