Befreiungsschlag von Marine Le Pen gegen Vater

Hysterie von Jean-Marie Le Pen und seine Angriffe auf seine Tochter könnten der 46-jährigen Parteichefin nützen.

Der bald 87-jährige Jean-Marie Le Pen wird sich wohl bis zu seinem letzten Atemzug in seiner unverkennbar verschrobenen und hysterischen Manier in Szene setzen. Nachdem ihm die Führung des „Front National“ (FN) am Montag die Parteimitgliedschaft vorläufig aberkannte, ortete Jean-Marie Le Pen nicht nur „Felonie“ (Treuebruch gegenüber einem Feudalherren), sondern auch gegen ihn gerichtete Mordpläne. Sollte man eines Tages seine „Leiche finden“, so sei man vorgewarnt: „Um einen Selbstmord kann es sich nicht handeln.“

Dass ihn seine Tochter Marine, der er 2011 den Parteivorsitz vererbt hatte, politisch zur Strecke bringt, sorgt auch für ein pittoreskes Familiendrama: „Ich wünsche, dass Marine Le Pen mir meinen Namen zurückgibt“, tobte der Stammhalter des Le-Pen-Klans und lieferte auch gleich die Gebrauchsanleitung: „Sie kann ja entweder ihren Galan heiraten, oder, warum nicht, Monsieur Philippot.“ Zum Verständnis: Nach zwei geschiedenen Ehen lebt Marine Le Pen in freier Partnerschaft mit dem FN-Vizechef Louis Aliot. Monsieur Philippot ist ihr maßgeblichster Berater. Aber (und da liegt die Heimtücke des Spruchs von Jean-Marie Le Pen) Florian Philippot ist auch als Homosexueller bekannt, nachdem ein Klatschblatt einen „romantischen Wien-Trip“ mit seinem Lebenspartner enthüllte.

Zugleich sprach der fast 87-Jährige seiner Tochter die Eignung ab, französische Staatspräsidentin zu werden.

Theoretisch könnte der jetzige Befreiungsschlag von Marine Le Pen gegen ihren Vater für sie zu Buche schlagen: Indem sie sich von ihm lossagte, nachdem er neuerlich den Holocaust in einem Interview zu verniedlichen suchte, versucht sie sich als vergleichsweise unbelastete Nationalistin zu profilieren.

Familienposse

Andererseits wirft die jetzige Familienposse ein krudes Licht auf den Klan Le Pen, der den FN als eine Art Familienlehen kontrollierte, und dem sich Marine jahrelang beflissen unterordnete. Außerdem waren die gelegentlichen antisemitischen Schlenker des FN-Gründers zwar symbolträchtige Provokationen, im politischen Auftreten des FN spielte aber Judenhass bis auf Sonderfälle keine Rolle.

Die künftige Attraktivität des FN oder, umgekehrt, seine abschreckende Wirkung hängt von der Verträglichkeit seines Diskurses in Sachen Migration, Islam, Wirtschaftsprotektionismus und immer mehr auch von der Europa-Politik ab – und von der Entwicklung in Frankreich und der EU, namentlich in Hinblick auf die Lage auf dem Arbeitsmarkt. So hat Marine Le Pen die EU, die sie als „Diktatur“ bezeichnet, zur Hauptzielscheibe erkoren – das schreckt aber vorerst bürgerliche Wähler ab und ist eine Wette auf einen Zusammenbruch der EU und eine endlose Talfahrt der französischen Wirtschaft.

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