François Fillion: Ein bürgerlicher Anti-Populist

Francois Fillon überraschte alle
François Fillon wird voraussichtlich für die Konservativen in die Präsidentenwahl gehen – ein Kandidat mit Schwächen.

Es ist ein konservativer Aufstand gegen den Populismus: Im ersten Durchgang der innerbürgerlichen Vorwahlen zur Bestimmung des künftigen Präsidentschaftskandidaten wurde mit François Fillon eine Art Anti-Trump aufs Siegerpodest gehoben – oder besser gesagt ein Anti-Sarkozy. Der Ex-Staatschef Nicolas Sarkozy, der mit einer grotesken, volkstümelnd-nationalistischen Anti-Eliten Kampagne sein Comeback feiern wollte, rutschte mit 20 Prozent auf Platz drei und kann nicht einmal mehr an der Stichwahl nächsten Sonntag teilnehmen.

Fillon, der auf 44 Prozent kam, ist das leibhaftige Gegenteil des Ex-Staatschefs: Sarkozy ist ein Zappel-Philipp, der Grimassen schneidet, seine Gesprächspartner abtätschelt (Angela Merkel beschwerte sich darüber) und Zuhörer mit ebenso schlagfertigen wie untergriffigen Formulierungen unter Strom setzt. Hingegen hat Fillon oft einen derartig monotonen und leisen Tonfall und ein derartig bedächtiges Auftreten, dass er bis vor Kurzem nie als Kandidat für das Präsidentenamt in Frankreich wahrgenommen wurde, weil dafür ein gewisses Maß an schneidigen Allüren erwartet wurde. Fillon, der unter Sarkozys Präsidentschaft als zeitweilig kritischer aber im Endeffekt loyaler Premier diente, wurde vom Staatschef als zweitrangiger Untergebener ("Mein Mitarbeiter") gedemütigt.

Nüchternheit belohnt

Jetzt ist aber genau diese unprätentiöse Nüchternheit honoriert worden – aber nicht nur: Fillon hat auch den ursprünglichen Umfrage-Favoriten Alain Juppé (er kam auf 28 Prozent) besiegt. Dabei mag das Alter eine Rolle gespielt haben: Juppé ist 71, Fillon 62. Aber für einen gehörigen Teil der bürgerlichen Wähler fielen auch Fillons scharfes Spar-Programm und seine prononciert konservativen Stellungnahmen ins Gewicht – im Gegensatz zu Juppé, der sich über die Aufregung um den Islam lustig machte, ein weniger radikales Sparprogramm vertritt, Gesprächsbereitschaft gegenüber den Gewerkschaften signalisiert und sich um die politische Mitte und sogar "enttäuschte" Ex-Sozialisten bemüht.

Aber die Anhänger der linken Mitte fielen im ersten Durchgang der bürgerlichen Vorwahlen nicht sonderlich ins Gewicht. Die Abstimmung vom Sonntag, die eine Rekordbeteiligung von über vier Millionen erreichte, förderte den Wunsch des konservativen Lagers nach einer klaren Wende zutage. Juppé entsprach nicht diesem Wunsch: er erschien wie eine Art bürgerlicher Francois Hollande, also ein unentschlossener und allzu konzilianter Politiker. Allerdings entblößt Fillon mit seiner harten wirtschafsliberalen Position eine Flanke gegenüber der Nationalistin Marine Le Pen in Hinblick auf die Präsidentenwahlen 2017.

Erst aber muss Fillon den zweiten Durchgang der Vorwahlen gewinnen, was als quasi sicher gilt. Noch am ersten Wahlabend hatte Nicolas Sarkozy, mit verkrampfter Miene und knapp vor einem Tränenausbruch, eine Empfehlung für Fillon abgegeben – mit dem Zusatz: die Wähler sollten sich vor "Extremismus" hüten. Sarkozy wollte verdeutlichen, dass er seine Anhänger, die er teilweise mit rechteren Parolen als Le Pen aufgeputscht hatte, jetzt nicht auch noch zu ihr entsendet. Trotzdem haben Sarkozy-Aktivisten inzwischen ihre Mitgliedschaft in der bürgerlichen Sammelpartei "Les Republicains" aufgekündigt.

Drastische Pläne

Das ist ein Vorgeschmack auf die Probleme, die auf Fillon warten, wenn er sich als Präsidentschaftskandidat in der Stichwahl im Mai 2017 voraussichtlich mit Marine Le Pen messen wird. Nach jetzigem Umfragestand wird es kein Linker in die Stichwahl schaffen, Le Pen aber schon. Wiederum nach jetzigem Umfragestand ist Le Pen weit von einem Sieg entfernt. Aber es könnte knapp werden, wenn Fillon allzu viele Zentrums- und Linkswähler abschreckt.

Vor allem die Ankündigung von Fillon, eine halbe Million Posten im öffentlichen Dienst innerhalb von fünf Jahren abbauen zu wollen, hat es in sich. Juppé hält das für "unrealistisch", die Gewerkschaften sind alarmiert. Die Frage ist auch, ob nicht Fillons drastische Spar-Ankündigungen allzu sehr schocken – zu einem Zeitpunkt, da Frankreich sein Defizit meistert. Jedenfalls wird Le Pen mit ihren staatslastigen, protektionistischen Versprechen öffentlich Bedienstete und vormalige Linkswähler verstärkt ködern.

Aber derartige taktische Sandkastenspiele können von der Wahlkampf-Dynamik und überraschenden Wählerentscheidungen über den Haufen geworfen werden – hätte doch noch vor einer Woche kaum jemand mit dem jüngsten Erfolg von Fillon gerechnet.

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