Erzwungene Landung in Minsk: Österreicher an Bord, EU berät Sanktionen

BELARUS-POLITICS-ARREST
Roman Protassewitsch wurde festgenommen. Auch ein Österreicher war an Bord. Bundeskanzler Kurz nennt den Vorgang "absolut inakzeptabel".

Ein Linienflug von Griechenland nach Litauen ist am Sonntag in der weißrussischen Hauptstadt Minsk zur Landung gezwungen worden. An Bord befand sich mit Roman Protassewitsch einer der prominentesten oppositionellen Blogger Weißrusslands, er wurde nach der Landung festgenommen. Zahlreiche EU-Länder, darunter Österreich, protestierten gegen die Umleitung und forderten die Freilassung Protassewitschs. Unter den Passagieren der Ryanair-Maschine befand sich auch ein Österreicher.

Wenige Minuten bevor die Boeing 737 der irischen Fluggesellschaft Ryanair kurz vor 13 Uhr Ortszeit den weißrussischen Luftraum wieder verlassen und über Litauen mit dem Landeanflug auf Vilnius begonnen hätte, hatte sie überraschend abgedreht und war schließlich in Minsk gelandet. Es habe Informationen über eine Bombe an Bord gegeben und Präsident Alexander Lukaschenko habe deshalb den Befehl erteilt, den Flug umzuleiten und zu empfangen, berichtete der regimenahe weißrussische Telegramkanal "Pul Pervogo" am Nachmittag. Explosive Stoffe seien jedoch nicht gefunden worden, hieß es.

An Bord des Flugzeugs befand sich mit dem ehemaligen Chefredakteur des führenden oppositionellen Telegramkanals "NEXTA" Roman Protassewitsch einer der bekanntesten Blogger Weißrusslands (Belarus). Protassewitsch, der zuletzt im Exil lebte, wurde laut Medienberichten nach der Landung festgenommen. Neben Protassewitsch wurde am Sonntag eine russische Passagierin festgenommen, bestätigte der außenpolitische Berater von Swetlana Tichonowskaja, Franak Wjatschorka, auf APA-Nachfrage. Die Festgenommene sei in Vilnius als freiwillige Aktivistin tätig, erklärte er.

Opposition blogger and activist Roman Protasevich arrives for a court hearing in Minsk

Blogger Protassewitsch im Jahr 2017

Das Außenministerium in Wien bestätigte am Abend gegenüber der APA, dass sich ein österreichischer Staatsbürger an Bord des Flugzeugs befunden hatte. Die österreichische Botschafterin in Minsk begab sich zum Flughafen, um sich ein Bild der Lage zu machen.

Das Außenministerium forderte auf Twitter "eine unabhängige internationale Untersuchung dieses Vorfalls" und die dringende Freilassung Protassewitschs. Alle Passagiere müssten ihre Reisen fortsetzen dürfen, verlangte das Außenministerium.

Kurz: EU darf nicht zur Tagesordnung übergehen

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat die erzwungene Landung vor dem EU-Gipfel Montagabend in Brüssel verurteilt. "Die Europäische Union darf nach der erzwungenen Landung eines kommerziellen Flugzeugs zur Verhaftung eines Journalisten in Belarus nicht zur Tagesordnung übergehen, denn das ist absolut inakzeptabel", erklärte Kurz im Vorfeld des EU-Gipfels.

"Daher unterstütze ich eine Behandlung von Belarus beim Europäischen Rat", sagte Kurz in einem Statement gegenüber der APA. EU-Ratspräsident Charles Michel erklärte am Sonntagabend, der Vorfall werde bei dem Gipfel diskutiert, er deutete auch mögliche Sanktionen an. "Der Vorfall wird nicht ohne Konsequenzen bleiben", schrieb Michel.

Proteste

Der litauische Präsident Gitanas Nauseda protestierte am Sonntag umgehend gegen die erzwungene Zwischenlandung und Protasewitschs Festnahme. Nauseda forderte laut Reuters die Verbündeten Litauens in EU und NATO zu umgehenden Reaktionen auf.

"Es ist absolut offensichtlich, dass dies eine Geheimdienstoperation zur Flugzeugentführung war, um den Aktivisten und Blogger Roman Protassewitsch zu verhaften", kritisierte die im Exil lebende weißrussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja. Ab dem heutigen Tag sei klar, dass sich niemand, der über Weißrussland fliegt, in Sicherheit wiegen könne, sagte sie.

Oppositionspolitiker Pawel Latuschko ergänzte, dass dem Blogger in seiner Heimat die Todesstrafe drohe. Er forderte eine sofortige internationale Aufklärung des Zwischenfalls und eine Untersuchung, ob der internationale zivile Flugverkehr über Belarus einstweilen eingestellt werden soll.

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